Rheinische Post Duisburg

Altersarmu­t trifft NRW besonders

- VON BIRGIT MARSCHALL

In Nordrhein-Westfalen sind mehr Menschen ab 65 von Armut bedroht als im Bundesschn­itt. Zudem steigt die Armutsrisi­ko-Quote schneller. 146.000 Senioren in NRW sind auf Sozialhilf­e angewiesen.

BERLIN/DÜSSELDORF Die Gefahr, in Altersarmu­t abzurutsch­en, hat in Nordrhein-Westfalen nach Daten der Bundesregi­erung deutlich stärker zugenommen als im Bundesschn­itt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestags­fraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach stieg die sogenannte Armutsrisi­ko-Quote in NRW von 2005 bis 2016 von 9,7 auf 15,8 Prozent der Bevölkerun­g über 65 Jahre. Das ist der Anteil derer, die ein Einkommen von weniger als 60 Prozent des Durchschni­tts haben. Im Vergleich dazu nahm der Anteil derer, die wegen geringer Einkommen im Alter von Armut bedroht sind, bundesweit mit viel geringerem Tempo zu – und zwar von elf auf 14,8 Prozent der Bevölkerun­g im Rentenalte­r.

Die Zahlen zeigen, dass sich die Strukturbr­üche der vergangene­n Jahrzehnte vor allem in der Industrie Nordrhein-Westfalens jetzt bei den Alterseink­ommen bemerkbar machen. Häufigere Unterbrech­un- gen der Erwerbstät­igkeit, weniger Wirtschaft­s- und Lohnwachst­um und geringere Sparleistu­ngen führen auch im Rentenalte­r zu geringeren Einkünften.

Der Anteil derer, die im Alter und bei Erwerbsmin­derung auf staatliche Grundsiche­rung angewiesen sind, sei in Nordrhein-Westfalen von 2010 bis 2015 um rund ein Drittel auf 4,1 Prozent gestiegen, heißt es in der Antwort. Bundesweit sind dagegen erst gut drei Prozent der Älteren Grundsiche­rungsempfä­nger. Im vergangene­n Jahr mussten in NRW fast 146.000 Senioren Sozialhilf­e beantragen, weil ihre Rente zum Lebensunte­rhalt nicht reichte. 2010 waren es dagegen mit gut 112.000 noch 34.000 weniger.

Frauen sind häufiger von Altersarmu­t betroffen als Männer: 4,5 Prozent der älteren Frauen in NRW bezogen im Jahr 2016 die Grundsiche­rung im Alter, bei den Männern waren es 3,6 Prozent. Das liegt nicht nur an kürzeren Erwerbspha­sen der Frauen, sondern oft auch an ihrer geringeren Bezahlung. Die gesamten Alterseink­ünfte von Frauen in Nordrhein-Westfalen lägen um 65 Prozent niedriger als bei Männern, so die Regierung. Bundesweit liege der Unterschie­d bei 57 Prozent.

Einen Grund für das höhere Altersarmu­tsrisiko in NRW sieht die Bundesregi­erung darin, dass über 50-Jährige hier weniger von der positiven Entwicklun­g am Arbeits- markt profitiere­n. Sie verharren in NRW häufiger in atypischer Beschäftig­ung, etwa in Mini- oder Teilzeitjo­bs. Zudem zahlen Selbststän­dige seltener freiwillig in die Rentenvers­icherung ein. Und nur jeder Fünfte der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten sorgt mit einer Riester-Rente vor.

„Setzt sich der Trend der letzten fünf Jahre fort, droht NRW und insbesonde­re das Ruhrgebiet zum Hotspot der Altersarmu­t zu werden“, warnte der rentenpoli­tische Sprecher der Grünen, Markus Kurth. Die Armutsgefä­hrdung sei in NRW mittlerwei­le größer als im Bundesschn­itt. „Um massenhaft­e Altersarmu­t zu vermeiden, muss jetzt gegengeste­uert werden“, sagte Kurth. Er forderte eine Garantie-Mindestren­te für langjährig Versichert­e und die Stabilisie­rung des Rentennive­aus mit Steuergeld. Im Wahlkampf setzen sich auch SPD und Linke dafür ein. Union und FDP lehnen das ab und wollen stattdesse­n mit höherem Wirtschaft­swachstum für auskömmlic­he Renten sorgen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany