EU will Flugstreichungen bei Ryanair prüfen
Experten vermuten, der irische Billigflieger schiele auf die Flugrechte der angeschlagenen Air Berlin.
DÜSSELDORF (maxi/rky) Der irische Billigflieger Ryanair hatte in den vergangenen Tagen massiv Flüge zusammengestrichen und damit die EU-Kommission auf den Plan gerufen. Bis Ende Oktober sollen insgesamt rund 2100 Flüge entfallen. Ryanair begründete die Maßnahme mit einer Pünktlichkeitsoffensive.
Branchenexperten bezweifeln jedoch, dass dies der wahre Grund ist. Das Unternehmen bereite sich auf den möglichen Fall vor, dass der insolvente Konkurrent Air Berlin seinen Flugbetrieb aus Geldmangel vorzeitig einstellen müsse, sagte Gerald Wissel von der Beratungsgesell- schaft Airborne der Deutschen Presse-Agentur. „Im Fall eines vorzeitigen ,Groundings’ der Air Berlin müssten die begehrten Start- und Landerechte vom zuständigen Koordinator der Bundesrepublik sofort neu vergeben werden.“Den Zuschlag könnten aber nur Gesellschaften erhalten, die dann auch mit entsprechenden Flugzeugen die Strecken tatsächlich fliegen könnten. Die EU kündigte an, die Streichungen bei Ryanair genau prüfen zu wollen. So stünde Fluggästen etwa eine Entschädigung zu, wenn sie kürzer als zwei Wochen im Voraus informiert würden.
Unterdessen zeigt eine Episode des gestrigen Nachmittags, wie turbulent derzeit die Lage bei der angeschlagenen Air Berlin ist. Der Branchendienst aero.de meldete, die deutsche Airline stelle zum 25. September die Langstreckenflüge in Gänze ein – also auch alle Verbindungen ab Düsseldorf. Der Bericht stützte sich auf die Facebook-Antwort eines Air-Berlin-Mitarbeiters auf eine Kundenanfrage. Eine Sprecherin erklärte jedoch rasch, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe. „Die verbliebenen Langstrecken ab Düsseldorf in die USA – New York, Miami, Fort Myers, San Fran- cisco und Los Angeles – sind buchbar“, sagte sie.
Die turbulenten Zustände bei Air Berlin haben einmal mehr für scharfe Kritik der Kabinen-Gewerkschaft gesorgt. Der Chef der IG Luftfahrt (IGL), Nicoley Baublies, sagte unserer Redaktion: „Die operative Situation bei Air Berlin ist derzeit desaströs.“Der Ärger der Kunden sei völlig nachvollziehbar. „Wir haben zudem den Eindruck, dass sich das Management nur wenig Gedanken darüber macht, wie stark das gegenwärtig herrschende Chaos die Crews belastet. Dabei hatten wir schon vor Monaten darauf hingewiesen, dass die Personalausstattung in den für die Planung des Flugbetriebs vorgesehenen Verwaltungsbereichen nicht ausreicht, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen“, sagte der IGL-Chef.
In interne Chatprotokolle, die unserer Redaktion vorliegen, hatten die Air-Berlin-Crews schwere Vorwürfe gegen das Management erhoben. So sollen die Flugzeug-Besatzungen daran gehindert worden sein, an Bord zu gehen, obwohl Piloten und Flugbegleiter einsatzfähig waren. Die Airline hat sich trotz wiederholter Anfrage bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorwürfen geäußert.