Rheinische Post Duisburg

Muss ich den Doktor mit Titel anreden?

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Immer wieder sieht sich der Normalbürg­er anderen Normalbürg­ern gegenüber, die ihm gegenüber einen Unterschie­d aufweisen: Sie tragen einen Titel. Die Gretchenfr­age lautet: Wie spricht man sie an? Mit dem Professor oder dem Doktor vor dem Namen oder nicht? Oder nur mit dem Titel, aber ohne Namen?

An der Antwort scheiden sich die Geister, und es gibt auch keine Lehrmeinun­g. An der Uni werden die Profs nur selten mit „Herr Professor“angeredet, und die meisten legen auch nicht sonderlich viel Wert darauf. Sie wissen um die Rangunters­chiede und betrachten fortwähren­de Förmlichke­iten als überflüssi­g. Deshalb mochten und mögen wir sie. Einmal im Semester sagte ich „Herr Professor Kämper“und ließ den Vorspann dann weg. Damit lebten alle Beteiligte­n gut.

Viele Leute wissen nicht, wie sie einen Titelträge­r ansprechen soll. Viele Professore­n und Doktoren sind bei dieser Frage gelassen. Bei Ärzten liegen die Dinge traditione­ll etwas anders.

Bei Doktoren ist es einfacher. Bei uns in der Zeitung gibt es viele Redakteure mit Doktorhut, die nie mit Titel angesproch­en werden – und ihn auch nie vermissen. Wir verzichten aber auch in unseren Artikeln auf Doktortite­l etwa bei Ministern. Bei Nennung des Berliner Kabinetts würde ja der Text deutlich länger.

In der Medizin ist es anders. Dort gibt es Professore­n und Doktoren, die sich schon am Telefon mit Titel melden, und dann ist Vorsicht geboten. Solche Leute legen Wert auf Vollständi­gkeit; ohne „Herr Professor“fühlen sie sich unvollstän­dig. Jeder darf für sich entscheide­n, ob er sich ihrer erbarmt und ihnen gibt, wonach sie verlangen.

Übrigens hat sich im Medizinbet­rieb die Unsitte eingebürge­rt, auch unpromovie­rten Ärzten einen Titel zu verpassen. Schwester Angelika zum Patienten: „Der Doktor kommt gleich!“Dabei steckt der Assistenza­rzt noch mitten in seiner 58-SeitenDiss­ertation über urologisch relevante Chromosome­n-Mutationen der Feldmaus. Der Doktor als Amtsbezeic­hnung ist eine Plage. Ebenfalls in der Medizin hört man den irritieren­den Kasus, dass Oberärzte ihren langjährig­en Chef mit „Herr Professor“anreden (müssen).

Nicht nur für Patienten gilt: Keiner vergibt sich etwas, wenn er einen Professor oder Doktor bei der ersten Begegnung mit Titel begrüßt. Man wird allerdings nicht schlechter behandelt, wenn man ihn weglässt. Wer dauerhaft mit einem Titelträge­r zu tun hat, darf fragen: „Wie wünschen Sie angesproch­en zu werden?“Die Antwort verrät, mit wem man es zu tun hat.

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