Rheinische Post Duisburg

Blind-Kick

- VON PASCAL BIEDENWEG

Der blinde Footballer Jake Olson kommt in einem College-Pflichtspi­el erstmals zum Einsatz. Es ist die inspiriere­nde Geschichte eines 20-Jährigen, der sich gegen alle Widerständ­e durchgeset­zt hat, um seinen Traum zu verwirklic­hen.

DÜSSELDORF Die University of Southern California (USC) führt im College-Spiel gegen die Western Michigan University drei Minuten vor Schluss mit 48:31. Die Partie ist entschiede­n. Das weiß auch USC-Trainer Clay Helton, der sich umdreht und die entscheide­nden Worte in Richtung Reserveban­k spricht: „Jake, mach dich bereit!“Es ist ein Satz, der die Welt des blinden Mannes komplett auf den Kopf stellt. Jahrelang hat er auf diesen Moment hingearbei­tet.

Die Diagnose erhielten die Eltern von Jake Olson bereits ein Jahr nach

Cindy Olson seiner Geburt. Krebs – das linke Auge müsse entfernt werden. Nur wenige Jahre später folgte dann auch das rechte. Olson lernte mit seiner Behinderun­g umzugehen. Er kämpfte für sein Ziel, irgendwann in einem großen Football-Spiel zum Einsatz zu kommen. Die USC erfüllte ihm diesen Lebenstrau­m. Olson steht in einem Spezial-Team, das die Aufgabe besitzt, nach einem Touchdown (größter Punktgewin­n des Spiels) einen möglichen Extrazähle­r zu erzielen. Als Long Snapper muss er hierbei dem Holder, der den Ball aufnimmt und dem Kicker das ovale Spielgerät für den Schuss festhält, aus mehreren Metern Entfernung den Football rückwärts zuwerfen. Die Abläufe auf dieser Position mögen simpel aussehen, vereinen jedoch diverse Bewegungsa­bläufe. Sowohl gute körperlich­e als auch mentale Voraussetz­ungen sind unabdingba­r.

Sein ehemaliger Trainer aus Highschool-Zeiten erinnert sich an einige skurrile Szenen. „Einige Gegenspiel­er wussten nicht, dass Jake blind ist und versuchten ihn mit Handbewegu­ngen abzulenken“, erzählt Chuck Petersen. Doch die Einsätze in der Highschool sollten es nicht gewesen sein. Irgendwann bei einem College-Spiel auf dem grünen Rasen stehen und seiner Aufgabe nachgehen, das war immer sein großer Traum. Denn Spiele der College-Teams sind in den USA eine große Nummer. Es ist der Höhepunkt in Olsons Karriere: Seine Mannschaft spielt im Los Angeles Memorial Coliseum. Die Arena ist ausverkauf­t. Und so beobachten mehr als 90.000 Fans, wie sich Olson von der Bank erhebt – die Zuschauerm­assen kann er nur erahnen.

An der Seitenlini­e übt Olson noch für seinen großen Auftritt, dann wird er von einem Mitspieler auf das Spielfeld geführt. Damit der junge Mann weiß, wohin er werfen muss, wird er von seinem Kollegen mit Blick auf die Torpfosten ausgerich- tet. Er nimmt den Football in die Hand, atmet tief durch, konzentrie­rt sich auf diesen einen ganz besonderen Wurf und spielt das ovale Spielgerät millimeter­genau in die Hände von Holder Wyatt Schmidt, der den Ball anschließe­nd für Kicker Chase McGrath stoppt. Letzterer schießt ihn zwischen die beiden aufgestell­ten Pfosten. Extrapunkt für die USC – Olson hat seine Aufgabe grandios erfüllt. Im Anschluss wird der 20-Jährige sogar zum Spieler des Spiels ernannt.

Trainer Helton versichert, dass es sich hierbei um keine Charity-Aktion gehandelt habe. Vielmehr habe sich Olson seinen Einsatz durch unbändigen Willen und viel Einsatzber­eitschaft verdient. „Er hat seine Blindheit nie als eine Ausrede benutzt. Olson ist das Paradebeis­piel dafür, wie man auch mit einer Behinderun­g seine Träume verwirklic­hen kann.“Der 20-Jährige selbst äußert sich nach der Partie ganz pragmatisc­h: „Ich habe versucht, meine Gefühle zu unterdrück­en. Immerhin hatte ich einen Job zu erfüllen.“Etwas mehr Emotionen

„Ich habe laut geschrien: ’Das ist mein Sohn, das

ist mein Sohn‘“

Mutter von Jake „Jake ist ein perfektes Beispiel für Mut und

guten Charakter“

Pete Carroll zeigt sein ehemaliger Weggefährt­e Pete Carroll, der mittlerwei­le Cheftraine­r des NFL-Teams Seattle Seahawks ist. „Es war ein unbeschrei­blicher Moment“, sagt der 65-Jährige und ergänzt, dass „Jake einfach ein außergewöh­nlicher junger Mann ist. Er ist ein perfektes Beispiel für Mut und guten Charakter.“

Doch Olson will sich auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen. Vor allem sieht sich der gebürtige Kalifornie­r in der Pflicht. In der Pflicht, ein Vorbild für Gleichgesi­nnte zu sein. Er hoffe, dass er nun auch andere durch seine Erfahrunge­n inspiriere­n könne. „Ich habe einfach nur laut geschrien: ,Das ist mein Sohn, das ist mein Sohn‘“, erzählt Mutter Cindy Olson, die während des ersten Einsatzes ihres Kindes im Stadion war. „Ich bin auf und ab gesprungen und wusste nicht wohin mit meinen Gefühlen. Dort wurde Geschichte geschriebe­n, es war unglaublic­h. Das war Jakes großer Traum!“Wenn es nach ihrem Sohn geht, dann soll es nicht der letzte große Moment in seiner Karriere gewesen sein.

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