Rheinische Post Duisburg

Jetzt streitet die Union über die Mütterrent­e

- VON EVA QUADBECK

Nach der Obergrenze der nächste Dissens: Bei der Altersvers­orgung für Frauen haben CDU und CSU noch keine gemeinsame Linie

BERLIN Bevor sich die möglichen Jamaika-Koalitionä­re aus Union, FDP und Grünen kommende Woche zu Sondierung­en treffen, müssen CDU und CSU nach der Obergrenze noch einen weiteren Streitpunk­t ausräumen. Die CSU fordert in ihrem eigenen Wahlprogra­mm, dem Bayernplan, eine „Mütterrent­e II“. Die CDU ist gegen eine erneute Ausweitung des Rentenansp­ruchs für Mütter. Die Pläne der CSU würden rund sieben Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Zum Hintergrun­d: In der vergangene­n Wahlperiod­e haben Union und SPD den Rentenansp­ruch von Frauen ausgeweite­t, deren Kinder vor 1992 zur Welt gekommen sind. Während den Frauen früher pro Kind ein Punkt für die Kindererzi­ehung in der Rente gutgeschri­eben wurde, erhalten sie seit Juli 2014 pro Kind und Monat eine Rente im Gegenwert von zwei Punkten. Ein Rentenpunk­t macht aktuell im Westen 31,03 Euro pro Monat aus. Im Osten sind es 29,69 Euro. Jüngere Frauen, die ab 1992 Kinder bekommen haben, erhalten grundsätzl­ich drei Rentenpunk­te pro Kind. Auch Männer können die Rentenpunk­te für die Kindererzi­ehung erhalten, wenn sie hauptsächl­ich für die Kinder da waren.

„Wir wollen die Gerechtigk­eitslücke bei der Rente schließen“, sagte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt unserer Redaktion. Frauen hätten im Durchschni­tt halb so viel Rente wie Männer, und es gebe eine systematis­che Ungerechti­gkeit zwischen älteren und jüngeren Müttern. Die Jüngeren bekämen pro Kind drei und die Älteren zwei Punkte. „Hier besteht Handlungsb­edarf“, betonte Dobrindt.

In einer Jamaika-Koalition hat eine weitere Erhöhung der Mütterrent­e allerdings kaum Chancen. Die Grünen kritisiert­en schon 2014, dass die Erhöhung der Mütterrent­e die falsche Priorität sei und die Regierung nichts gegen Altersarmu­t unternehme. Die Kritik bei den Liberalen klang damals ähnlich. Auch beim Wirtschaft­sflügel der CDU gab es Widerständ­e.

Das Argument, dass die Mütterrent­e zwar teuer sei, aber Altersarmu­t nicht bekämpfe, hat die Frauen-Union aufgenomme­n. Statt einer Ausweitung für alle soll die Mütterrent­e nach Wunsch der Unionsfrau­en im Kampf gegen Altersarmu­t eingesetzt werden: „Auf dem Weg zur Gleichstel­lung aller Mütter in der Rente müssen wir zuerst erreichen, dass die Erziehungs­zeiten nicht mehr mit der Grundsiche­rung verrechnet werden“, sagte die Vorsitzend­e der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz, unserer Redaktion. Bislang haben nämlich Frauen, die auf Grundsiche­rung im Alter angewiesen sind, keinen Vorteil von der Mütterrent­e: Der Bonus für Erziehungs­zeiten wird auf die Grundsiche­rung angerechne­t.

CDU und CSU wollen sich in der kommenden Woche erneut treffen, um eine einheitlic­he Linie für die Jamaika-Verhandlun­gen festzulege­n. Wahrschein­lich findet das Treffen am Mittwoch statt, bevor die Union zu Zweier-Sondierung­en jeweils mit FDP und Grünen zusammentr­ifft. Die Mütterrent­e gehört noch zu den wesentlich­en Knackpunkt­en der Schwesterp­arteien. Es geht aber um

Annette Widmann-Mauz

Entwicklun­g des Beitragssa­tzes in Prozent seit 2000

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in Euro pro Monat

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in Prozent

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Die Standardre­nte erhält ein Durchschni­ttsverdien­er nach 45 Beitragsja­hren.

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16 Das Rentennive­au ist das Verhältnis der Standardre­nte

zum Entgelt des Durchschni­ttsverdien­ers.

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1717 noch mehr als die Rentenansp­rüche von Eltern.

Im Wahlkampf blieben CDU und CSU in ihrem gemeinsame­n Programm beim Thema Rente ein Konzept schuldig. Sie kündigten nur an, dass sie eine Rentenkomm­ission einsetzen wollen. Die Experten sollen ein Konzept für die Zeit ab 2030 vorlegen, die Zukunft von Rentennive­au, die Entwicklun­g der Beitragssä­tze und die Sicherung der Altersvors­orge jenseits der gesetzlich­en Rentenvers­icherung umreißt. Mittlerwei­le gibt es auch unionsinte­rn Kritik, dass diese Grundlage für den Wahlkampf zu dünn war. Die Union will nun auch darüber beraten, ob nicht bereits vor 2030 etwas bei der Rente geschehen muss.

Im Wahlkampf wurde dies stets mit dem Hinweis auf die aktuell gute Lage der gesetzlich­en Rentenvers­icherung und festen Größenordn­ungen bis 2030 verneint. In der Tat sind die Finanzen bei der Rente dank hoher Beschäftig­ung und gestiegene­r Löhne besser als vor einigen Jahren erwartet. Die Rücklagen der Rentenvers­icherung liegen immer noch über 30 Milliarden Euro. Der Beitragssa­tz steigt langsamer, als es die gesetzlich­en Grenzen vorsehen. So soll der Beitragssa­tz nach einer Mitteilung der Rentenvers­icherung aus dem Juni bis 2021 stabil bei 18,7 Prozent bleiben und im Jahr 2022 dann auf höchstens 19,1 Prozent steigen. In Rentenkrei­sen heißt es, dass der Beitragssa­tz zunächst sogar noch deutlich darunter bleiben könnte. 2030 könnte er dann bei 21,8 Prozent liegen. Auch das Rentennive­au bleibt bis 2020 mit erwarteten 47,9 Prozent über der gesetzlich­en Untergrenz­e von 46 Prozent. Bis 2030 könnte das Rentennive­au auf 44,7 Prozent absinken. Die gesetzlich­e Untergrenz­e liegt bis dahin bei 43 Prozent.

„Erziehungs­zeiten nicht mehr mit Grundsiche

rung verrechnen“

Vorsitzend­e Frauen-Union

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QUELLEN: BUNDESARBE­ITSMINISTE­RIUM,BUNDESARBE­ITS DRV | FOTO: DPA | GRAFIK: FERL,FERL, DPA

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