Der lachende Holländer
Ministerpräsident Mark Rutte tritt nach aufwühlenden Koalitionsverhandlungen seine dritte Amtszeit an. Für ihn geht es nun darum, dem rechten Lager wieder Wähler abspenstig zu machen.
DEN HAAG Ein Foto, auf dem der Regierungschef der Niederlande nicht grinst oder lacht, gibt es eigentlich nicht. Die Karikaturisten lieben Mark Rutte für seinen Frohsinn. Sein langes Kinn und die breite Stirnpartie kommen beim Lachen noch mehr zur Geltung als ohnehin. Derzeit hat Rutte viel Grund zur Freude: Er hat es endlich geschafft, ein Regierungsbündnis zu formen. 208 oder 209 Tage, je nach Berechnung, hat er dafür gebraucht – 209 wären neuer Rekord. 1977 debattierten die Parteien 208 Tage.
Ruttes rechtsliberale VVD geht nun in eine Koalition aus vier Parteien. Mit dabei sind die christdemokratische CDA, die linksliberale D66 und die Christenunion. Der bisherige Koalitionspartner, die sozialdemokratische PvdA, fuhr bei der Wahl im März ein katastrophales Ergebnis ein und verlor rund 19 Prozentpunkte. Das neue Viererbündnis hat eine Mehrheit von genau einem Sitz. Rutte geht damit in seine dritte Amtszeit als Ministerpräsident.
Im Zentrum des Regierungsprogramms stehen Steuererleichterungen und Investitionen in Sicherheit, Schulen und Pflegeheime. Vor allem Mittelstand und Familien können mit mehr Geld rechnen. Die Koalition will das Land auch „grüner und nachhaltiger“machen und bis 2030 alle fünf Kohlekraftwerke schließen. Zu den Plänen gehört auch die Legalisierung des Hasch-Anbaus.
Seit sieben Jahren führt Rutte die Regierungsgeschäfte. Doch bis vor einem Jahr wussten die Niederlän- der wenig über ihn. Das VVD-Wahlkampfteam setzte Rutte deshalb unter anderem drei Stunden lang zum Interview in die Fernsehsendung „Zomergasten“(„Sommergäste“). Für den 50-Jährigen, der lieber Politik macht, statt über Persönliches zu sprechen, keine leichte Aufgabe. Doch er tat es.
Rutte wurde in Den Haag geboren. Er entstammt einer strenggläubigen Familie. Sein Vater war einige Jahre für ein Handelsunternehmen in Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, tätig. Rutte ist das jüngste von sieben Kindern. Nach dem Abitur wollte er Konzertpianist werden. Sein Lehrer bescheinigte ihm zwar Talent, riet aber ab: So gut sei er auch nicht. Es wurde ein Geschichtsstudium in Leiden. Danach arbeitete er beim Lebensmittelkonzern Unilever, wo er bis zum Personalchef aufstieg. Schon mit 20 wurde er Vorsitzender der Jugendorganisation der VVD, 2002 Staatssekretär für Arbeit und Soziales, zwei Jahre später für Bildung, wieder zwei Jahre später übernahm er den VVDVorsitz. Seit 2010 ist er der erste liberale Ministerpräsident seit 1918.
Ruttes Erfolg resultiert vor allem aus drei Dingen. Erstens: aus seiner Liberalität. Manchmal ist das grenzwertig. Etwa wenn Rutte in einer Rede sagte: „So unsinnig es auch sein mag, den Holocaust abzustreiten, verboten sein darf das nicht.“Rutte wollte signalisieren: Jede Meinung, sei sie noch so verrückt, muss ausgesprochen werden dürfen. Beim Thema Holocaust ging ihm das als Ausrutscher durch.
Zweiter Erfolgsfaktor: Bescheidenheit. Rutte wohnt in einer kleinen Etagenwohnung in Den Haag, hat eine Vorliebe für die schwedische Automarke Saab und mag Todo-Listen. Seit 2008 unterrichtet er jeden Donnerstag an einer Sekundarschule Sozialkunde. Seine politischen Ansichten blieben stets draußen, lobt der Rektor. Zudem sei Rutte sehr kommunikativ.