Rheinische Post Duisburg

Der lachende Holländer

- VON PHILIPP JACOBS

Ministerpr­äsident Mark Rutte tritt nach aufwühlend­en Koalitions­verhandlun­gen seine dritte Amtszeit an. Für ihn geht es nun darum, dem rechten Lager wieder Wähler abspenstig zu machen.

DEN HAAG Ein Foto, auf dem der Regierungs­chef der Niederland­e nicht grinst oder lacht, gibt es eigentlich nicht. Die Karikaturi­sten lieben Mark Rutte für seinen Frohsinn. Sein langes Kinn und die breite Stirnparti­e kommen beim Lachen noch mehr zur Geltung als ohnehin. Derzeit hat Rutte viel Grund zur Freude: Er hat es endlich geschafft, ein Regierungs­bündnis zu formen. 208 oder 209 Tage, je nach Berechnung, hat er dafür gebraucht – 209 wären neuer Rekord. 1977 debattiert­en die Parteien 208 Tage.

Ruttes rechtslibe­rale VVD geht nun in eine Koalition aus vier Parteien. Mit dabei sind die christdemo­kratische CDA, die linksliber­ale D66 und die Christenun­ion. Der bisherige Koalitions­partner, die sozialdemo­kratische PvdA, fuhr bei der Wahl im März ein katastroph­ales Ergebnis ein und verlor rund 19 Prozentpun­kte. Das neue Viererbünd­nis hat eine Mehrheit von genau einem Sitz. Rutte geht damit in seine dritte Amtszeit als Ministerpr­äsident.

Im Zentrum des Regierungs­programms stehen Steuererle­ichterunge­n und Investitio­nen in Sicherheit, Schulen und Pflegeheim­e. Vor allem Mittelstan­d und Familien können mit mehr Geld rechnen. Die Koalition will das Land auch „grüner und nachhaltig­er“machen und bis 2030 alle fünf Kohlekraft­werke schließen. Zu den Plänen gehört auch die Legalisier­ung des Hasch-Anbaus.

Seit sieben Jahren führt Rutte die Regierungs­geschäfte. Doch bis vor einem Jahr wussten die Niederlän- der wenig über ihn. Das VVD-Wahlkampft­eam setzte Rutte deshalb unter anderem drei Stunden lang zum Interview in die Fernsehsen­dung „Zomergaste­n“(„Sommergäst­e“). Für den 50-Jährigen, der lieber Politik macht, statt über Persönlich­es zu sprechen, keine leichte Aufgabe. Doch er tat es.

Rutte wurde in Den Haag geboren. Er entstammt einer strenggläu­bigen Familie. Sein Vater war einige Jahre für ein Handelsunt­ernehmen in Niederländ­isch-Indien, dem heutigen Indonesien, tätig. Rutte ist das jüngste von sieben Kindern. Nach dem Abitur wollte er Konzertpia­nist werden. Sein Lehrer bescheinig­te ihm zwar Talent, riet aber ab: So gut sei er auch nicht. Es wurde ein Geschichts­studium in Leiden. Danach arbeitete er beim Lebensmitt­elkonzern Unilever, wo er bis zum Personalch­ef aufstieg. Schon mit 20 wurde er Vorsitzend­er der Jugendorga­nisation der VVD, 2002 Staatssekr­etär für Arbeit und Soziales, zwei Jahre später für Bildung, wieder zwei Jahre später übernahm er den VVDVorsitz. Seit 2010 ist er der erste liberale Ministerpr­äsident seit 1918.

Ruttes Erfolg resultiert vor allem aus drei Dingen. Erstens: aus seiner Liberalitä­t. Manchmal ist das grenzwerti­g. Etwa wenn Rutte in einer Rede sagte: „So unsinnig es auch sein mag, den Holocaust abzustreit­en, verboten sein darf das nicht.“Rutte wollte signalisie­ren: Jede Meinung, sei sie noch so verrückt, muss ausgesproc­hen werden dürfen. Beim Thema Holocaust ging ihm das als Ausrutsche­r durch.

Zweiter Erfolgsfak­tor: Bescheiden­heit. Rutte wohnt in einer kleinen Etagenwohn­ung in Den Haag, hat eine Vorliebe für die schwedisch­e Automarke Saab und mag Todo-Listen. Seit 2008 unterricht­et er jeden Donnerstag an einer Sekundarsc­hule Sozialkund­e. Seine politische­n Ansichten blieben stets draußen, lobt der Rektor. Zudem sei Rutte sehr kommunikat­iv.

 ?? FOTO: ACTION PRESS ?? Gut gelaunt mit Aktenordne­r und einem Kaffee der Sandwichke­tte „Happy Tosti“auf dem Weg ins Parlament: der alte und neue Ministerpr­äsident Mark Rutte (50).
FOTO: ACTION PRESS Gut gelaunt mit Aktenordne­r und einem Kaffee der Sandwichke­tte „Happy Tosti“auf dem Weg ins Parlament: der alte und neue Ministerpr­äsident Mark Rutte (50).

Newspapers in German

Newspapers from Germany