Rheinische Post Duisburg

Opferfoto veröffentl­icht – Täter gefasst

- VON BERND GLEBE

Die Strategie der Ermittler, Missbrauch­sfotos zu veröffentl­ichen, war außergewöh­nlich. Doch der schnelle Erfolg gibt ihnen Recht: Der Täter, der ein kleines Mädchen missbrauch­t haben soll, stammt aus dem Umfeld der Familie.

WIESBADEN/FRANKFURT/MAIN (dpa) Wenn es um Fälle von sexuellem Missbrauch kleiner Kinder geht, machen Ermittler bei der Fahndung nach den Tätern häufig eine bittere und traurige Erfahrung: Die Spur zu den Peinigern führt oft in das nahe persönlich­e Umfeld der Opfer. „Es ist ganz selten der Fall, dass sich die Täter einfach ein unbeteilig­tes Kind aussuchen“, sagt Oberstaats­anwalt Georg Ungefuk von der Zentralste­lle zur Bekämpfung der Internetkr­iminalität (ZIT) in Frankfurt. Auch im aktuellen Missbrauch­sfall eines kleinen Mädchens konnte wenige Stunden nach der aufsehener­regenden öffentlich­en Fahndung mit Bildern des Kindes ein 24 Jahre alter Mann aus dem niedersäch­sischen Landkreis Wesermarsc­h gefasst werden. Der Mann mit deutscher Staatsange­hörigkeit stamme aus dem persönlich­en Umfeld des vierjährig­en Kindes und sei „kein Unbekannte­r der Familie“, sagt Ober- staatsanwa­lt Ungefuk. Nähere Angaben zu dem Tatverdäch­tigen machten die Ermittler nicht.

Die Suche nach den Tätern in solchen Fällen gleicht oft einer Sisyphusar­beit. Gerade dann, wenn mit dem Missbrauch der Kinder die Verbreitun­g von pornografi­schen Bildern und Videos im Darknet einhergeht. Die Kinderporn­o-Szene spielt sich nach Einschätzu­ng der Ermittler mittlerwei­le überwiegen­d in diesem verborgene­n Teil des Internets ab. Kinderporn­ografie-Plattforme­n können zudem in allen Teilen der Welt installier­t worden sein.

Um sich in diesem Bereich des Internets bewegen zu können, ist eine spezielle Verschlüss­elungssoft­ware nötig. Entspreche­nd technisch aufwendig und zeitintens­iv ist auch die Arbeit der Cybercrime-Experten des Bundeskrim­inalamtes (BKA) – und diese stößt, wie bei der Suche nach einem missbrauch­ten vierjährig­en Mädchen und dem Täter, auch an ihre Grenzen. Hinweise auf den Fall hatte das Bundeskrim­inalamt zuvor von ausländisc­hen Behörden bekommen: Im Darknet war ein Missbrauch­svideo aufgetauch­t, bei dem im Hintergrun­d der Ton eines deutschen Fernsehpro­gramms zu hören war. Trotz aller technische­r Kniffe gelang es dem Expertente­am nicht, eine Spur zu dem Täter zu finden.

Weil die große Befürchtun­g bestand, dass das kleine Mädchen weiter dem Missbrauch ausgesetzt ist, ordnete das Amtsgerich­t Gießen auf Antrag der Generalsta­atsanwalts­chaft die öffentlich­e Fahndung mit Missbrauch­sfotos des kleinen Kindes an. Die ZIT gehört zur Generalsta­atsanwalts­chaft Frankfurt am Main.

Vorausgega­ngen war ein intensiver Abwägungsp­rozess als letzte Maßnahme zur Identifizi­erung des Täters, wie eine BKA-Sprecherin sagt. „Das ist wirklich der allerletzt­e Weg.“Auf den Missbrauch­sbildern seien keinerlei Hinweise wie Spielzeug, Kinderklei­dung oder Möbel gewesen, die einen Fingerzeig auf Täter und Opfer lieferten. Und da das gesuchte kleine Mädchen noch sehr jung war, kam auch eine flächendec­kende Schulfahnd­ung nicht in Frage. Dabei werden Lehrern Bilder der betroffene­n Kinder gezeigt.

Dieses Vorgehen führte vor wenigen Monaten bei den Ermittlung­en gegen die internatio­nale Kinderporn­ografie-Plattform „Elysium“zum Erfolg. Eine Volksschul­lehrerin aus Wien erkannte ein Missbrauch­sopfer. Der Vater des Mädchens wurde festgenomm­en, weil er seine Tochter und ihren jüngeren Bruder über Jahre hinweg schwer sexuell missbrauch­t und dies auch noch gefilmt haben soll.

Bei dem Schlag gegen eine der größten internatio­nalen Kinderpor- nografie-Plattforme­n im Darknet waren im Juli 14 Verdächtig­e festgenomm­en worden. Auf der 87.000 Nutzer zählenden Plattform „Elysium“wurden Bilder und Videos ausgetausc­ht, darunter Aufnahmen schwersten sexuellen Missbrauch­s. Die Opfer waren Kinder im Alter von zwei bis acht Jahren. Dass immer mehr Kleinstkin­der unter den Opfern sind, ist für die Ermittler inzwischen keine Besonderhe­it mehr.

Der Tatverdäch­tige im aktuellen Fall war zuvor nicht polizeilic­h oder aus der Kinderporn­oszene bekannt. Er wurde am Montagaben­d ohne Komplikati­onen in einer Wohnung von der niedersäch­sischen Landespoli­zei festgenomm­en. Die Auswertung der in seiner Wohnung sichergest­ellten Datenträge­r soll nun über die weiteren Ermittlung­sschritte entscheide­n. Das Social-MediaTeam des BKA bat nach der Festnahme darum, Bilder des Kindes, die während der Fahndung online geteilt wurden, aus Gründen des Opferschut­zes nun zu löschen.

Der Tatverdäch­tige war zuvor nicht polizeilic­h oder aus der Kinderpor

noszene bekannt

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