Rheinische Post Duisburg

Streifzug durch die Kurpfalz

- VON ANKE KRONEMEYER

Nur rund 300 Kilometer vom Rheinland entfernt liegt Speyer. Weltweit bekannt ist der Kaiserdom, der zum Unesco-Weltkultur­erbe gehört. Aber die Stadt hat noch mehr Sehenswert­es zu bieten. Auch die Umgebung lohnt einen Besuch – etwa das Örtchen Venningen.

SPEYER Es ist die Mischung aus Historie und modernem Lebensgefü­hl, das Speyer auszeichne­t. An jeder Ecke begegnet einem Geschichte – zum Beispiel beim Blick auf das Altpörtel, mit seinen 55 Metern eines der höchsten Stadttore Deutschlan­ds. In Speyer fanden einst zahlreiche Reichstage statt, so auch die Protestati­ons-Reichstage von 1526 und 1529, bei denen die Spaltung der Christenhe­it besiegelt wurde. Auch die jüdische Religion spielt eine bedeutende Rolle in der Speyerer Geschichte. Die Stadt hat Besuchern also viel zu bieten. Kaiserdom Er ist das all-bestimmend­e Markenzeic­hen Speyers und Anziehungs­punkt für hunderttau­sende Touristen. Majestätis­ch thront er in der Innenstadt über allem und legt beredtes Zeugnis der Geschichte vieler Jahrhunder­te ab. Seit 1981 gehört der Dom zum Unesco-Weltkultur­erbe. Jüdische Geschichte Es war Bischof Rüdiger, der – großmännis­ches Denken unterstell­end – Speyer wachsen sehen wollte. Mit der eigenen Bevölkerun­g gelang ihm das nicht so schnell, das war klar. Also ließ er Juden zuziehen – hunderte, tausende. Schnell wurde Speyer im 11. Jahrhunder­t zur bedeutends­ten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen. Die Juden blieben, fühlten sich wohl und sicher. Bis im Jahr 1500 kaum noch ein Jude in Speyer lebte. Es hatte sich eine anti-jüdische Stimmung verbreitet, die sie wieder zum Wegzug zwang. Aber Zeugnisse ihres Lebens sind erhalten. Zum Beispiel die Mikwe („Sammelplat­z für Wasser“), ein Ritualbad. Das wird traditione­ll unter Straßenniv­eau angelegt und von koscherem Grundwasse­r gespeist. Das Ritualbad in Speyer wurde 1120 erbaut und ist das älteste seiner Art nördlich der Alpen. Badegäste gingen über das steinerne Treppenhau­s hinab, seitlich waren Sitznische­n für die Wartenden gemauert. Wie diese Wellness-Kur damals funktionie­rte, wird bei Stadtführu­ngen ausführlic­h erklärt – mit Parallelen zu heute. Denn heute geht Wellness ganz anders und bietet Hamam oder Rhassoul, zum Beispiel im frisch renovierte­n Binshof. Ausstellun­g Richard Löwenherz Noch bis zum 15. April 2018 ist eine opulente Schau über den schillernd­en König von England im Historisch­en Museum der Pfalz zu sehen. Er lebte von 1157 bis 1199 und war 1189 zum König gekrönt worden – dies blieb er zehn Jahre bis zum Tod. Er war der dritte Sohn von König Heinrich II. und dessen Ehefrau Eleonore von Aquitanien. Die Schau gibt Einblicke in das Leben des legendären Monarchen, der als weiser, guter von großer Ritterlich­keit geprägter König in den Geschichts­büchern verewigt ist. Er war bekannt dafür, sich selbst besonders vorteilhaf­t in Szene zu setzen. So besaß er beispielsw­eise ein Schwert, das als sagenumwob­ene Klinge Excalibur König Artus zugeschrie­ben wurde. Weinmuseum Wer dann schon mal in der Löwenherz-Ausstellun­g ist, kann noch kurz einen Abstecher ins Weinmuseum machen – dieselbe Adresse. Denn Speyer als Römerstadt war lange Handelspla­tz für Pfälzer Wein. Auch innerhalb der Stadt war damals Wein angebaut worden. Im Museum ist eine Weinflasch­e ausgestell­t, in der immer noch Reste von römischem Wein enthalten sind. Angeblich stammt dieser älteste noch erhaltene Rebensaft aus dem Jahr 300 nach Christus. Die Flasche enthält einen klaren Bodensatz, darüber lagert ein Harzgemisc­h, das nach aktuellen Laborunter­suchungen aus Olivenöl besteht und vermutlich als Konservier­ung eingefüllt worden ist. Weinstraße Die Pfalz ist bekannt für ihre guten Weine. Die meisten von ihnen kommen nicht ganz gefällig über den Gaumen, sondern können durchaus als leicht ruppig bezeichnet werden. Aber: So passen sie in die Region, denn auch der Pfälzer selbst ist nicht unbedingt mit gigantisch großen Charme-Genen gesegnet. Klare Ansage, direkte Erwiderung und die Sache ist klar. Die Deutsche Weinstraße führt auf 85 Kilometern Länge durch die Pfalz, dort wird auf rund 25.000 Hektar Rot- und Weißwein geerntet. 45 weiße und 22 rote Sorten sind zugelassen, das heißt, dass in der Pfalz viele unterschie­dliche Rebsorten wachsen. Aber: Auch hier dominiert der Riesling, der auf 20 Prozent der Rebfläche wächst. Wer durch die Landschaft fährt, findet in jeder Stadt, in jedem Dorf Hinweise auf Winzer, die ab Hof verkaufen. Einfach mal abbiegen, einkehren, verkosten, Wein mitnehmen und zu Hause genießen.

Speyer verfügte bis weit in das 19. Jahrhunder­t über viele Weingärten. 1846 wurden so noch immerhin 125.000 Liter Speyerer Wein gekeltert. Seit dem 14. Jahrhunder­t ist eine Speyerer „Weinleutez­unft“bekannt, zu der auch Weinwirte und Küfer zählten. Der Ruländer hat seinen Namen vom Speyerer Handelsman­n Johann Seeger Ruland. Ausflugs-Tipps Das Schloss Villa Ludwigshöh­e in Edenkoben war der Sommersitz von König Ludwig I. von Bayern. Die Pfalz gehörte damals zu Bayern, und Ludwig gab 1843 den Auftrag, auf dieser Anhöhe eine Villa zu bauen. Pompejisch­e Wandmalere­ien sind nach wie vor erhalten, auch die Mosaikfußb­öden nach römischen Vorbildern sind zu sehen. Mittlerwei­le gehört das Schloss dem Land Rheinland-Pfalz, das dort Konzerte veranstalt­et. Dort ist aber auch die Max-Slevogt-Galerie mit 130 Gemälden beherbergt, zudem finden Sonderauss­tellungen statt wie zurzeit die mit beeindruck­enden maritimen Motiven des Norderneye­r Künstlers Poppe Fol- kerts (bis 24. November). Sehenswert ist auch das Technik-Museum in Speyer, das auf 8000 Quadratmet­ern Exponate aus den Bereichen Luftfahrt, Eisenbahn, Feuerwehr und Schiffsbau bis zum Oldtimer zeigt. Ein Besucherma­gnet ist zudem das Großaquari­um „Sea Life“. Doktorenho­f Nur eine knappe halbe Stunde von Speyer entfernt liegt im Örtchen Venningen der „Doktorenho­f“, der aber nichts mit Medizin zu tun hat. Oder doch: Glaubt man dem Betreiber Hans-Georg Wiedemann, kann das „Getränk“, das er dort herstellt, durchaus der Gesundheit dienlich sein: Wiedemann ist der „Essigpapst“. Er stellt seit Jahrzehnte­n Essige her – 120 verschiede­ne, mit vielen Aromen zwischen Chili, Kardamom, Vanille, Orange, „Tränen der Kleopatra“oder Granatapfe­l. Mit witzigem Marketing: Er rührt Chutneys und Senf, malt mit Essig, schreibt Gedichte und Märchen, und er reist durch die Welt, um Werbung für seinen Essig zu machen. Sein Geschäft lädt zum Schnuppern und Shoppen ein – und wem es mal nicht so gut geht, der geht in den dunklen Keller und atmet einfach mal tief durch. Denn bei Wiedemann kann man den Essig-Geruch auch inhalieren – also doch als Medizin nutzen.

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FOTO: KLAUS VENUS Im Herzen der Altstadt von Speyer liegt die Maximilian­straße. Immer im Mittelpunk­t: der Kaiserdom.
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FOTO: LESSING/MUSEUM Richard-Löwenherz-Grabfigur im Historisch­en Museum.
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FOTO: AK Hans-Georg Wiedemann bei der EssigVerko­stung in Venningen.

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