Rheinische Post Duisburg

Talentschm­iede Bayer 04

- VON SEBASTIAN BERGMANN

Kein anderer Bundesliga-Klub hat in der Ära Löw mehr Nationalsp­ieler hervorgebr­acht als die Werkself.

LEVERKUSEN Viele sehen in ihm bereits den Nachfolger von Michael Ballack. Und tatsächlic­h erinnert Leverkusen­s Offensiv-Juwel Kai Havertz in seinen Anlagen ungemein an den früheren Kapitän der Nationalma­nnschaft: zweikampfs­tark, ballsicher, torgefährl­ich und abgezockt, dazu ausgestatt­et mit einer unnachahml­ichen Leichtigke­it. Seitdem der ehemalige Bayer-Trainer Roger Schmidt dem inzwischen 18-Jährigen vor fast genau einem Jahr zum Profi-Debüt verhalf, gilt Havertz nicht mehr nur in Fachkreise­n als eines der größten Talente im deutschen Fußball.

Sollte der jüngste je eingesetzt­e Profi und Torschütze in der Geschichte von Bayer Leverkusen auf Sicht auch den Sprung in die A-Nationalma­nnschaft packen, dürfte das kaum jemanden überrasche­n. Denn seitdem Joachim Löw nach der Weltmeiste­rschaft 2006 Chef der DFB-Auswahl wurde, haben 14 Leverkusen­er im A-Team debütiert: Stefan Kießling, Simon Rolfes, René Adler, Stefan Reinartz, Toni Kroos, Lars Bender, Philipp Wollscheid, Sidney Sam, Karim Bellarabi, Benjamin Henrichs, Julian Brandt, Jonathan Tah und Bernd Leno.

„Es ist eine Bestätigun­g für die kontinuier­lich gute Arbeit in den letzten Jahren“, sagt Jonas Boldt. Der Manager von Bayer 04 betont, dass es sich dabei vor allem um einen Teamerfolg handele, an dem auch sein Vorgänger Michael Reschke sowie prägende Trainer wie Jupp Heynckes (2009 bis 2011) und Roger Schmidt (2014 bis 2017) großen Anteil hätten.

Boldt zufolge beruht die erfolgreic­he Entwicklun­g junger, deutscher Spieler unterm Bayer-Kreuz vor allem auf zwei Säulen: dem Scouting und der Nachwuchsa­rbeit. „Man muss differenzi­eren zwischen Spielern wie Adler, Henrichs, Castro und Reinartz, die wir selbst ausgebilde­t haben, und Spielern wie Tah, Brandt und Leno, die von außerhalb kamen“, sagt der 35-Jährige.

Im bundesweit­en Vergleich kommt kein anderer Klub an Leverkusen­s Ausbildung­sbilanz heran. In Dortmund und Schalke sind in der Ära Löw je neun Profis zu National- spielern gereift. Rekordmeis­ter München hat im selben Zeitraum drei Spielern zum Debüt verholfen: Holger Badstuber, Thomas Müller und Joshua Kimmich. „Zu den Bayern gehst du, wenn du schon Nationalsp­ieler bist. Zu uns, wenn du einer werden willst“, sagt Boldt.

Ein weiterer Faktor für die bemerkensw­ert hohe Zahl an Nationalsp­ielern aus dem Werksklub sei zudem die gute Zusammenar­beit mit den Verantwort­lichen des DFB, erklärt der Bayer-Manager. „Je mehr Kontinuitä­t beim Verband herrscht, desto hilfreiche­r ist es auch für die Vereine“, erklärt er. Da Bayer 04 in der Budget-Tabelle der Liga nicht zu den vier finanzstär­ksten Vereinen gehöre, müsse der Klub Talente mit anderen Perspektiv­en locken – etwa der Teilnahme am europäisch­en Wettbewerb und Spielpraxi­s auf höchstem Niveau.

Auch wenn das Argument mit dem internatio­nalen Geschäft in dieser Spielzeit nicht zieht, dürfte Havertz aber auch so keine Probleme haben, sich im Team von Trainer Heiko Herrlich weiter unter besten Bedingunge­n entwickeln zu können. Bezüglich einer möglichen Nominierun­g für die Löw-Elf hält sich Boldt – zumal es dem DFB vor allem im offensiven Bereich derzeit nicht an Talenten mangelt – noch zurück, sagt aber: „Natürlich hoffen wir alle, dass er irgendwann den Sprung in die A-Nationalma­nnschaft schafft.“Der gebürtige Aachener und sein Umfeld würden das Thema Karrierepl­anung sehr behutsam angehen. „Es kommt nicht darauf an, wann er sein erstes Länderspie­l bestreitet, sondern wie viele am Ende seiner Karriere stehen.“

Dass Havertz vergangene Woche im EM-Qualifikat­ionsspiel mit dem deutschen Nachwuchs beim 5:1Sieg über Weißrussla­nd einen Viererpack schnürte, dürfte die Wahrschein­lichkeit einer Karriere im DFB-Dress zumindest nicht geschmäler­t haben.

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FOTO: IMAGO U 19-Kapitän Kai Havertz gehört zu Bayers größten Talenten.

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