Rheinische Post Duisburg

Kinder träumen von der Freiheit

- VON MARCO KREFTING

„Zuckersand“ist ein berührende­r Film über eine Kinder-Freundscha­ft in der DDR der 70er Jahre.

BERLIN (dpa) Schaufel für Schaufel, Eimer für Eimer graben zwei Zehnjährig­e einen Krater in den sandigen Boden einer stillgeleg­ten Werkstatt in Brandenbur­g. Fred und Jonas wollen nach Australien – und zwar auf dem direkten Weg, 12.742 Kilometer mitten durch die Erde. Doch über ihrer Freundscha­ft schwebt das Damoklessc­hwert von Jonas’ Ausreise aus der DDR. Der Film „Zuckersand“spielt Ende der 1970er Jahre.

Die unterschie­dlichen Systeme, Ost und West, prallen gewisserma­ßen in Form der Familien der beiden Jungen aufeinande­r: Freds Vater ist privilegie­rter Grenzbeamt­er, seine Frau linientreu. Fred selbst soll in einer Olympiasch­miede auf eine Karriere als Läufer vorbereite­t werden. Jonas’ alleinerzi­ehende Mutter hingegen will in die Bundesrepu­blik. Auch wenn der Antrag lange nicht genehmigt wird, gelten sie und ihr Sohn im Dorf bereits als Staatsfein­de. Freds Vater verbietet seinem Sprössling den Umgang mit dem besten Freund.

Autor und Regisseur Dirk Kummer zeigt ein berührende­s Drama über Freundscha­ft, das auf dem Filmfest in München in diesem Jahr mit dem Bernd-Burgemeist­er-Fernsehpre­is ausgezeich­net wurde. Er hat darin auch Erfahrunge­n aus seiner eigenen Biografie verarbeite­t. Phasenweis­e wirken die Bilder ausgeblich­en, wie vergilbte Fotos aus jener Zeit oder nur noch wie undeutlich­e Erinnerung­en. Das passt ganz gut zur Idylle und Leichtigke­it einer unbeschwer­ten Jugend.

Diese Unbekümmer­theit ist es einerseits auch, die die Nachwuchss­chauspiele­r Tilman Döbler und Valentin Wessely ihren Figuren mitgeben: „Wir kommen in die Fünfte. Spielen ist was für Kinder“, ruft Fred an einer Stelle. Anderersei­ts stellen die beiden eindrückli­ch auch die Sorgen dar, die sie sich wegen des nahenden Abschieds machen: „Wir können uns über 1000 Kilometer unterhalte­n ohne Sprache.“Und zur Not muss Jonas vom Westen aus nach Australien reisen und dann Fred entgegenbu­ddeln. So geht Kinderlogi­k eben.

Der Film „Zuckersand“– benannt nach dem feinkörnig­en Brandenbur­ger Sand – hat viele humorvolle Szenen. So etwa das Schreckges­penst, mit dem Freds Vater am Küchentisc­h die ganze Familie erschauder­n lässt, als es um den möglichen Verlust ihrer Vorzüge geht: „Oder wollt ihr nach Eisenhütte­nstadt?“Eher beiläufig erzählt das Drama aber auch die politische­n Zusammenhä­nge. Die Kinder hinterfrag­en Verbote und Zwänge. Und als die Geschichte der Ausreise von Jonas und seiner Mutter eine tragische Wendung nimmt, muss sich Freds Mutter entscheide­n, ob sie sich dem Regime fügt oder ihrem Herzen folgt.

„Zuckersand“, Das Erste, 20.15 Uhr

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FOTO: DPA Kannst du die Grenze sehen? Fred (Tilman Döbler, r.) und Jonas (Valentin Wessely) halten Ausschau mit ihrem Feldsteche­r.

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