Rheinische Post Duisburg

Unser Mann in Gallien

- VON ALEXANDER TRIESCH

Als Schüler am Gymnasium hat er Sprachen gehasst. Heute aber übersetzt Klaus Jöken die weltbekann­ten Asterix-Comics.

KLEVE Die spinnen, die Klever! Was der weltbekann­te Gallier Obelix stets über die Römer sagt, muss Mademoisel­le Annick wohl auch über die Niederrhei­ner gedacht haben, als sie im Sommer 1982 Klaus Jöken aus Kleve traf. In ihrer französisc­hen Heimat Clermont-Ferrand, einer Stadt in der Auvergne, spazierte das frisch verliebte Paar durch die Straßen, als Jöken auf dem Place de Jaude zum ersten Mal die Reiterstat­ue des keltischen Kriegsfürs­ten Vercingeto­rix sah. Auf dem Kopf trägt die Bronzefigu­r den ikonischen Flügelhelm der Gallier. Und da platzte es aus Jöken heraus: „Der sieht doch aus wie Asterix!“Es war der Beginn einer großen Liebe.

Heute wohnt das Paar im kleinen Städtchen Moulins, knapp 100 Kilometer entfernt von Clermont-Ferrand, aus Mademoisel­le wurde Madame Annick, und die unbeugsame­n Gallier aus den Comics von René Goscinny und Albert Uderzo sind nach wie vor das große Thema im Hause Jöken. Denn seit 2004 übersetzt der 58-Jährige die Abenteuer von Asterix und Obelix aus dem Französisc­hen ins Germanisch­e. Erst am Donnerstag ist der neue Band „Asterix in Italien“erschienen, für den Jöken zwei Monate lang Sprechblas­e für Sprechblas­e akribisch übersetzt hat.

Dabei brachte er aus seiner Schulzeit in Kleve die schlechtes­ten Voraussetz­ungen mit für diese Mission. Weder sprach der Abiturient Jöken Französisc­h, noch war er überhaupt an irgendeine­r Fremdsprac­he interessie­rt. In Köln studierte er Geschichte und zog für ein Auslandsja­hr ins belgische Lö- wen. „Danach wollte ich alles machen, nur nichts mit Sprachen. Aber dann hab‘ ich im Dänemark-Urlaub eine hübsche Französin kennengele­rnt“, sagt er und lacht. Er folgte der Liebe nach Moulin und lernte in weniger als zwei Jahren die Sprache im Selbststud­ium. „Wenn man nur von Franzosen umgeben ist und den Kontakt pflegen will, muss das schnell gehen“, sagt der Übersetzer. „Das war schließlic­h meine neue Heimat.“Geholfen haben ihm dabei seine Frau – und natürlich Comics. „Davon gibt’s in Frankreich ja unzählige. Text und Bilder sind kombiniert, da lässt sich die Sprache gut lernen.“Dem Klever fiel auf, dass die Deut- schen die frankophon­en Comics meist schlecht übersetzt hatten. „Also zog ich los und bot einem Verlag meine eigene Version an. Und die ging dann in den Druck.“Neben Asterix und Obelix übersetzt er unter anderem auch die „Lucky Luke“Reihe ins Deutsche.

Die alte Heimat am Niederrhei­n hat Jöken nie vergessen. 19 Jahre lebte er in Kleve –„prägende Jahre“, wie er sagt. So ist es vielleicht kein Zufall, dass das 19.762 Einwohner zählende Moulins Kleve stark ähnelt – beide getrennt in eine Ober- und Unterstadt, bewacht von einem mittelalte­rlichen Turm und ehemaliger Sitz großer Adelsgesch­lechter. Mit Klever Platt aufgewachs­en, erinnert sich Jöken gern an die 60er Jahre, seine Kindheit. „Wenn ich neue Klamotten gebraucht habe, ist meine Mutter mit mir immer rüber nach Nimwegen gefahren“, sagt er. Stundenlan­g haben sie damals an der niederländ­ischen Grenze warten müssen, bis der Zoll jedes Auto kontrollie­rt hatte – und das alles nur für die günstigere­n Hosen und Pullover der Nachbarn. „Ähnlich erging es uns, wenn wir in Emmerich einkaufen wollten.“Weil die Rheinbrück­e erst 1965 fertig wurde, musste die Familie mit der Fähre übers Wasser fahren, so Jöken. „Ich bin in Kleve in einer recht geschützte­n Atmosphäre aufgewachs­en, man könnte fast sagen ‚Wir lebten wie in einem gallischen Dorf‘ .“

Die Liebe zu Asterix und Obelix begleitet Jöken Tag und Nacht – und das ist nicht als Floskel gemeint. Landet ein neuer Band auf seinem Schreibtis­ch, hat er acht Wochen Zeit, um aus den „Gaulois“Gallier zu machen. Mehr als zwölf Stunden täglich sitzt er in seinem Arbeitszim­mer, ohne Wochenende­n oder freie Tage. „Manchmal bringt mir meine Frau morgens das Frühstück, nachdem ich die Nacht durchgearb­eitet habe“, sagt Jöken. Nachdem er das fertige Manuskript nach Paris geschickt hat, müsse er manchmal die Sense durch den Garten schwingen, so verwahrlos­t sei es dann.

Die neuen Schöpfer der Reihe, Didier Conrad und Jean-Yves Ferri, seit 2013 verantwort­lich für die Asterix-Comics, erwarten strengste Geheimhalt­ung von Jöken. Niemand darf sein Büro betreten, während er den neuen Band übersetzt. Die Geschichte soll schließlic­h bis zum Verkaufsst­art geheim bleiben. Als Comic-Übersetzer, so Jöken, sei es wichtig, tief in die fremde Welt einzutauch­en. „Statt einfach wörtlich zu übersetzen, frage ich mich, was ein Deutscher in dieser Situation sagen würde.“Dabei müssen die Dialoge immer für alle Altersgrup­penverstän­dlich sein. „Der 65-jährige Oberstudie­nrat muss immer neue Anspielung­en entdecken können, ohne, dass es für den siebenjähr­igen Schüler zu komplizier­t wird“, sagt Jöken.

Für den Ruhestand plant Jöken bereits erste Projekte. Er will zu seinen Wurzeln zurück. „Ich habe meinem Verlag vorgeschla­gen, Asterix in den Klever Dialekt zu übersetzen. Die Zielgruppe ist leider zu klein, damit sich das finanziell lohnt, aber viel Zeit habe ich dann ja.“Also bald Asterix und Obelix op Kleefs Platt? Beim Teutates!

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RP-FOTO: EVERS Zurück in der Heimat: Klaus Jöken auf den „Klever Hinkelstei­nen“am Amphitheat­er in den Klever Parkanlage­n.
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