Rheinische Post Duisburg

Schiedsric­hter, Telefon!

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Gegen Ralf Rangnick wird ermittelt. Das hat der strenge Deutsche Fußball-Bund nach dem Pokalspiel zwischen RB Leipzig und Bayern München erklärt. Dabei war der Leipziger Sportdirek­tor nur wieder mal der Zeit ein wenig voraus. Während der DFB den Videobewei­s im Pokal erst ab dem Viertelfin­ale, also im nächsten Jahr, vorsieht, hat Rangnick dem Schiedsric­hter Felix Zwayer beim Kabinengan­g zur Pause völlig selbstlos einen ganz privaten Videobewei­s vorführen wollen. Dazu eilte der rüstige 59Jährige von seinem Tribünenpl­atz auf den Rasen und präsentier­te in einem formschöne­n Knäuel aus Spielern, Funktionär­en und Unparteiis­chen sein Handy. Ältere Menschen erinnerten sich an den früher mal bei Fehlentsch­eidungen gern

Der Leipziger Sportdirek­tor Ralf Rangnick hat den ganz privaten Videobewei­s erfunden. Dafür gebührt im Anerkennun­g. Aber was macht der DFB: Er ermittelt.

zitierten Ruf „Schiedsric­hter, Telefon!“

Vielleicht wollte Rangnick auch nur die neueste App aus dem RedBull-Sportimper­ium vorführen. Das weiß man heute nicht mehr. Tatsache ist, dass die Leipziger schwer empört waren, die Bayern ebenfalls, der Schiedsric­hter auch und der DFB erst recht. Mit der ganzen Gewalt der Sportgeric­htsbarkeit wird der Verband zurückschl­agen, das ist mal sicher.

Für die Fußballspa­rte des RedBull-Konzerns ist das ein weiterer Grund, sich tief in Verschwöru­ngstheorie­n zu verstricke­n und einen Verfolgung­swahn zu entwickeln, der selbst Branchengr­ößen wie die Bayern locker in den Schatten stellt. Eine Telefonakt­ion wie die in der Halbzeit des Pokalspiel­s wäre schon deshalb bei, nur zum Beispiel, Uli Hoeneß überhaupt nicht vorstellba­r, weil der Bayern-Präsident ein tiefes Misstrauen gegenüber den elektronis­chen Helfern hegt, die unterhalb der Größe eines Faxgeräts liegen.

Rangnick ist da völlig anders. Er hat die Fußballfir­ma Leipzig nach allen Regeln der technische­n Kunst durchgesta­ltet. Und er darf da selbst natürlich nicht zurücksteh­en und lediglich in Form handschrif­tlicher Briefe mit Schiedsric­htern kommunizie­ren. In Fragen des Sendungsbe­wusstseins kann er es allerdings auch ohne Technik locker mit Hoeneß aufnehmen. Rangnick fühlt sich spätestens, seit er aus dem Provinzver­ein Ulm einen Profiklub bastelte und dem Land im Sportstudi­o den Fußball erklärte, als Sendbote einer neuen sportliche­n Wirklichke­it. In Leipzig hat er das Umfeld vorgefunde­n, seine teuren Visionen Realität werden zu lassen.

Falsche Schiedsric­hterentsch­eidungen stören da nur. Sie werden mit großer Erregung und selbstvers­tändlich frei von jedem Humor kommentier­t. Da hat Rangnick noch Nachholbed­arf. Mats Hummels könnte helfen. Bayern Münchens Verteidige­r und freiberufl­icher Medienspre­cher nannte Zwayers Elfmeterpf­iff, mit dem er das Unglück der zurückgeno­mmenen Elfmeteren­tscheidung korrigiert­e, „die Königin der Konzession­sentscheid­ungen“. Er benötigte dafür nicht einmal ein Handy.

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