Dieter Hecking prognostiziert baldiges Ende für den Videobeweis
Das Spiel zwischen Gladbach und Mainz steht sinnbildlich für die Probleme in der Testphase. Borussias Trainer zeigt sich desillusioniert.
MÖNCHENGLADBACH Die Nachbereitung des 1:1 zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FSV Mainz 05 ist zu einem regelrechten Debattierklub geworden. Die Beobachter fragten sich nicht nur viermal: Richtig oder falsch entschieden? Sondern auch: Wurde der Video-Assistent konsultiert? Und wenn nicht, warum eigentlich nicht? In der 17. Minute ging es los mit den Debatten, als Levin Öztunali bei einem Mainzer Konter JeanPhilippe Gbamin bediente, der im Laufduell mit Lars Stindl plötzlich ins Straucheln geriet. „Natürlich touchiert ihn Lars“, sagte später Borussias Manager Max Eberl, nachdem diverse Wiederholungen für Aufklärung gesorgt hatten. „Aber reicht das für einen Elfmeter? Grob falsch war die Entscheidung für mich nicht, und das ist ja die große Frage.“
Unter der Woche hatte der „Kicker“einen Brief vom 25. Oktober, unterzeichnet von SchiedsrichterChef Lutz-Michael Fröhlich und Projektleiter Hellmut Krug, veröffentlicht. Darin stand: „Bei schwierigen Situationen, in denen die Einordnung der Schiedsrichterentscheidung in die Kategorie ‘Klarer Fehler’ nicht zweifelsfrei gewährleistet ist, der Video-Assistent aber starke Zweifel an der Berechtigung der Schiedsrichterentscheidung hat, soll er das dem Schiedsrichter unverzüglich mitteilen.“Das bedeutete eine deutliche Kurskorrektur, die indes bereits einen Monat vorher im Verborgenen vorgenom- men worden war. In einer Korrektur der Korrektur hieß es am Freitag: „Bei subjektiven Entscheidungen (also der Bewertung von Spielvorgängen, zum Beispiel bei Zweikämpfen oder Handspielen) soll der Videoassistent nur dann eingreifen, wenn die Entscheidung des Schiedsrichters dem vorliegenden Bildmaterial gravierend widerspricht.“Eberl kritisierte die Kommunikationspolitik des DFB: „Solche Fehler darf er nicht machen.“
In der 19. Minute war Yann Sommer von Yoshinori Muto am Fuß be-
Max Eberl rührt worden, bevor er im Luftduell mit Abdou Diallo fatal danebengriff. War der Kontakt nicht genauso intensiv wie vorher bei Stindl? Weniger? Identisch? Beides Foul? Beides kein Foul? Noch ein Beweis für das Dilemma, das die traditionell subjektive Regelauslegung im Fußball verursacht. In der 39. Minute lag der Ball erneut im Tor nach Öztunalis sehenswertem Schlenzer. Diesmal kam der Videobeweis zum Einsatz, weil die Borussen ein Foul von Suat Serdar an Matthias Ginter monierten. Nach gut zwei Minuten und Sven Jablonskis Gang an die Seitenlinie zum Monitor wurde das Tor zurückgenommen. Nach der Pause schoss sich Diallo den Ball noch im eigenen Strafraum an den hochgestreckten Arm. Nicht auf Elfmeter zu entscheiden, war wohl regelkonform von Jablonski, scheint aber dem gesunden Verstand zu widersprechen, Diallo hielt den Arm so hoch, als wolle er ein Taxi heranwinken.
„An dieser Diskussion teilzunehmen, macht mir überhaupt keinen Spaß mehr“, sagte Dieter Hecking. Gladbachs Trainer zeigte sich am Samstag als desillusionierter Verfechter. „Wir haben vor der Saison gesagt, dass es eine einjährige Testphase ist, und wir geben diesem Test null Chance. Ich wage die Prognose, dass der Videobeweis zur Winterpause eingestampft wird – und zwar nicht, weil es richtig wäre“, sagte er. „Ich bin ein absoluter Befürworter, auch wenn es heute wieder Szenen gab, bei denen man sich fragt, warum nicht eingegriffen wird.“
Inhaltlich pflichtete ihm sein Sportdirektor bei. „Der Videobeweis macht den Fußball nicht kaputt“, sagte Eberl, genau das hatten die Fans in der Nordkurve während der Überprüfung des 0:2 skandiert. „Trotzdem wird der Videoassistent nicht dazu führen, dass jede Entscheidung für jeden Betrachter richtig gefällt wird. Es ist halt etwas Neues im Fußball und das braucht seine Zeit.“Eberl ließ sogar durchklingen, dass er es sich nur schwer vorstellen könne, das Projekt einzustellen. „Wenn der Videobeweis nicht eingeführt wird, stehen wir in einem Jahr hier und sagen: Hätte es den Videobeweis gegeben, hätte das Tor nicht gezählt“, sagte er. „Wir Offiziellen sollten trotz aller Emotionen auch mal die Schnauze halten und dem Ding eine Chance geben.“
„Solche Fehler
darf er nicht machen“