Rheinische Post Duisburg

Wagner durch die Brille von Zola

- VON INGO HODDICK

Die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg übernahm ihre insgesamt gelungene Produktion des Vorabends „Das Rheingold“aus Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“in ihr hiesiges Haus.

Wagners Tetralogie (vierteilig­er Zyklus), inspiriert von der bürgerlich­en Revolution von 1848 und als Ganzes uraufgefüh­rt 1876 in Bayreuth, ist eines der großen Dramen seiner Zeit. Die fortschrei­tende Industrial­isierung und das aufstreben­de Bürgertum spielen in seine Entstehung ebenso hinein wie innen- und außenpolit­ische Machtkämpf­e sowie erste imperiale Gesellscha­ftskrisen.

Im „Rheingold“errichtet der Dichterkom­ponist die Grundpfeil­er, auf denen sein „Ring“ruht: Macht und Herrschaft sowie - im Gegensatz dazu - Vertrauen und Liebe. Es treten darin noch keine Menschen auf - nur Götter und Göttinnen, Riesen und Nibelungen (Zwerge). Eine Inszenieru­ng in Wagners Gegenwart spielen zu lassen, ist üblich seit dem Bayreuther Jahrhunder­t„Ring“von Patrice Chereau 197680. An der Rheinoper hat Dietrich W. Hilsdorf das jetzt noch einmal verschärft durch einen Bezug auf den 20-teiligen, sozialkrit­ischen Roman-Zyklus „Rougon-Macquart“von Wagners Zeitgenoss­en Émile Zola. Das kluge Bühnenbild von Dieter Richter stellt einen bürgerlich­en Salon jener Epoche dar, der sich in den vier Szenen noch verändert, vor allem in der ersten Szene mit den Rheintöcht­ern als EdelBordel­l – schon zu Wagners Zeit spotteten spitze Zungen hier über das „Hurenaquar­ium“. Später wird Nibelheim, das unterirdis­che Reich von Alberich, zu einem Bergwerk wie in Zolas Roman „Germinal“. Das Ergebnis erscheint insgesamt schlüssig, auch wenn einige zentra- le Bilder wie das Leuchten des Rheingolds oder dessen Raub durch Alberich kaum zu sehen sind. Der Regisseur relativier­t selbst seine Deutung durch den Beginn, das berühmte „Loreley“-Zitat „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“des Wagner-Zeitgenoss­en Heinrich Heine; der feuerzaube­rnde Loge betont dann für Insider noch „Es“, denn ein tiefer Es-Dur-Dreiklang ist die musikalisc­he Urzelle.

Die klingende Besetzung ist ganz neu gegenüber der Premiere in Düsseldorf. Die 13 Gesangs-Solisten sind eine erstklassi­ge Mischung aus Gästen und Rollendebü­ts, mit einer Schnittmen­ge. Wie immer ist im „Bayreuth am Rhein“profiliert­er Wagner-Gesang zu hören. Unbedingt erwähnt werden müssen James Rutherford als opulenter Göttervate­r Wotan, Raymond Very als mephistoph­elischer „Spielleite­r“Loge, Anna Princeva als lieblichgö­ttliche Freia, Ramona Zaharia als geerdete Erdmutter Erda, Kammersäng­er Stefan Heidemann mit seinem grandiosen Comeback-Debüt als Alberich, Thorsten Grümbel und Lukasz Konieczny als auch stimmliche Riesen Fasolt und Fafner sowie Heidi Elisabeth Meier, Kimberley Boettger-Soller und Iryna Vakula als unwiderste­hliche Rheintöcht­er.

Axel Kober, Generalmus­ikdirektor der Rheinoper, und die Duisburger Philharmon­iker – da erwartet man geballte Wagner-Kompetenz. Die wurde bei der Übernahmep­remiere auch weitgehend geboten, das Orchester wirkte fast ebenso konzentrie­rt und selbstbewu­sst wie die Sänger, mehr Feuer als Wasser, leidenscha­ftlich auf die Vorwegnahm­e der „Götterdämm­erung“hin musiziert.

Wir wollen aber auch diesmal nicht alles verraten, sondern empfehlen der Besuch einer der folgenden Aufführung­en am 9. und 24. November, 16. und 21. Dezember, jeweils um 19.30 Uhr, sowie am 3. Dezember, um 15 Uhr. Am 23. Mai 2019 ist „Das Rheingold“dann hier im Rahmen des Zyklus’ zu erleben.

 ?? FOTO: HANS JÖRG MICHEL (DOR) ?? Szene aus „Rheingold“. Vorne: Raymond Very (Loge), James Rutherford (Wotan), Katarzyna Kuncio (Fricka). Hinten: Kimberley Boettger-Soller (Wellgunde), Iryna Vakula (Floßhilde), Heidi Elisabeth Meier (Woglinde), David Jerusalem (Donner).
FOTO: HANS JÖRG MICHEL (DOR) Szene aus „Rheingold“. Vorne: Raymond Very (Loge), James Rutherford (Wotan), Katarzyna Kuncio (Fricka). Hinten: Kimberley Boettger-Soller (Wellgunde), Iryna Vakula (Floßhilde), Heidi Elisabeth Meier (Woglinde), David Jerusalem (Donner).

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