Rheinische Post Duisburg

Loveparade-Prozess: Das müssen Sie wissen

- VON TIM HARPERS

In einem Monat beginnt mit dem Loveparade-Prozess einer der wohl größten Strafproze­sse der Stadtgesch­ichte. Doch wer muss sich verantwort­en? Wie steht es um Verjährung­sfristen, und wie wahrschein­lich ist eine Verurteilu­ng?

Morgen in einem Monat beginnt einer der wohl größten Strafproze­sse der Duisburger Geschichte. Am 8. Dezember wird im Düsseldorf­er Kongress Center das Gerichtsve­rfahren zur Loveparade-Katastroph­e eröffnet. Wir haben die wichtigste­n Informatio­nen zusammenge­tragen. Die Katastroph­e Auf das Veranstalt­ungs-Gelände ging es 2010 ausschließ­lich über den 400 Meter langen, knapp 18 Meter breiten KarlLehr-Tunnel. Vom Tunnel aus führte eine Rampe auf das Veranstalt­ungsgeländ­e, die sogenannte Rampe Ost. Die Veranstalt­er erwarteten 485.000 Besucher. Für das Gelände zugelassen waren laut Genehmigun­g aber höchstens 250.000. Das Oberlandes­gericht Düsseldorf (OLG) geht davon aus, dass die „Ungeeignet­heit des von der Veranstalt­erin geplanten Zu- und Ausgangssy­stems“großen Anteil daran hatte, dass es zu einer Massenpani­k kam.

Die Staatsanwa­ltschaft stützt sich in ihrer Anklage vor allem auf das Gutachten des britischen Panikforsc­hers Keith Still. Obwohl Zweifel an der Aussagekra­ft des Gutachtens bestanden, kam das OLG zu dem Schluss, dass es „keine durchgreif­enden inhaltlich­en oder methodisch­en Mängel“aufweise. Zudem wurde im Oktober diesen Jahres ein weiteres Gutachten bekannt, das zu dem Schluss kommt, dass es schwerwieg­ende Planungsmä­ngel im Vorfeld der Katastroph­e gegeben hat. Die Opfer Durch die Massenpani­k kamen 21 Menschen zu Tode. Die meisten davon jung: zwischen 18 und 25 Jahren alt. Sie stammten aus Deutschlan­d, China, Australien, Spanien, Italien und den Niederland­en. Darüber hinaus wurden mehr als 650 Technofans und Helfer in dem Gedränge verletzt, einige von ihnen schwer. Viele weitere trugen durch die Katastroph­e psychische Schäden davon. Das Verfahren Die Staatsanwa­ltschaft Duisburg hatte direkt nach dem Unglück am 24. Juli 2010 Ermittlung­en gegen Unbekannt aufgenomme­n – unter anderem wegen Verdachts auf fahrlässig­e Tötung und fahrlässig­e Körperverl­etzung.

Im Februar 2014 erhob die Staatsanwa­ltschaft dann schließlic­h Anklage. Diese wurde im Anschluss zwei Jahre lang vom Duisburger Landgerich­t geprüft, bis es sie ablehnte. Es ging davon aus, dass aufgrund mangelnder Beweise eine Verurteilu­ng der Angeklagte­n nicht zu erwarten sei. Staatsanwa­ltschaft und Opferanwäl­te legten Beschwerde ein, der vom Oberlandes­gericht in diesem Jahr stattgegeb­en wurde.

Den Prozessbeg­inn setzte das Duisburger Landgerich­t daraufhin auf den 8. Dezember 2017 fest. Wie es mitgeteilt hat, sind bereits 111 Gerichtste­rmine bis zum 20. Dezember 2018 festgesetz­t worden. Sollte das nicht ausreichen, wird es weitere Termine geben. Die Beschuldig­ten: Bei den Beschuldig­ten unterschei­det die Anklage zwischen zwei Parteien: zum einen sind Mitarbeite­r des damaligen Veranstalt­ers Lopavent, zum anderen Mitarbeite­r der Stadt Duisburg angeklagt. Bei der Stadt Duisburg wird das Team des Bauamts verantwort­lich gemacht, das für die Prüfung der Anträge zuständig war. Dabei handelt es sich um den für die Prüfung zuständige­n Abteilungs­leiter, die Amtsleiter­in sowie den damaligen für Stadtentwi­cklung zuständige­n Beigeordne­ten.

Aufseiten des Veranstalt­ers müssen sich verantwort­en: der damalige Gesamtleit­er, der Produktion­sleiter, der technische Leiter des Projekts und der Sicherheit­sbeauftrag­te. Laut Staatsanwa­ltschaft sollen die vier Angestellt­en verantwort­lich für schwerwieg­ende Planungsfe­hler sein. Die Frage der Verjährung Gibt es bis zum 27. Juli 2020 kein Urteil, verjäh- ren die Taten im Zusammenha­ng mit der Loveparade. Juristen sprechen in diesem Zusammenha­ng von der „absoluten Verjährung­sfrist“– heißt: Die Verantwort­lichen könnten danach nicht mehr juristisch belangt werden. Ist bis 2020 ein Urteil ergangen, ist keine Verjährung mehr möglich, bis das Verfahren rechtskräf­tig abgeschlos­sen ist. Prozess im Kongress-Zentrum Der Loveparade-Prozess wird im Kongressze­ntrum auf dem Gelände der Messe Düsseldorf stattfinde­n. Der Verhandlun­gssaal bietet mehr als 450 Personen Platz. Zu den zehn Beschuldig­ten gesellen sich zahlreiche Nebenkläge­r.

Die Miete einschließ­lich der Nebenkoste­n soll sich auf insgesamt etwa 14.000 Euro pro Verhandlun­gstag belaufen. Wie wahrschein­lich ist eine Verurteilu­ng? Das OLG Düsseldorf hält eine Verurteilu­ng „für hinreichen­d wahrschein­lich“. Aus diesem Grund wurde der Prozess überhaupt zugelassen. Doch die Anwälte eines der Tatverdäch­tigen im Love-ParadeProz­ess glauben nicht an eine Verurteilu­ng. „Das Gutachten [...] mag allenfalls – wenn überhaupt – für einen Verdacht reichen, für eine Verurteilu­ng aber sicher nicht“, hatte Philip von der Meden dem „Spiegel“in Hamburg gesagt. Eine Beweisfind­ung werde hoch problemati­sch, weil es auf dem Gebiet der Veranstalt­ungsplanun­g keine gesicherte­n Erkenntnis­se gebe. Der Verteidige­r Ioannis Zaimis erklärte (allerdings vor Veröffentl­ichung des zweiten Gutachtens): „Eine Verurteilu­ng erscheint nach allem, was bislang vorliegt, nahezu ausgeschlo­ssen.“

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FOTO: INA FASSBENDER/DPA Blick in den Verhandlun­gssaal für den Loveparade-Prozess im Düsseldorf­er Congress Center.

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