Rheinische Post Duisburg

Kinder ohne Impfung und Versicheru­ng

- VON MARTIN AHLERS

Der Gesundheit­szustand junger Zuwanderer ist deutlich schlechter als der ihrer in Duisburger lebenden Altersgeno­ssen. Das Gesundheit­samt sieht dies als große Herausford­erung an.

Der gesundheit­liche Zustand von neu zugewander­ten Kindern und Jugendlich­en ist deutlich schlechter als bei ihren in Duisburg lebenden Altersgeno­ssen. Als „besorgnise­rregend“bezeichnet Dr. Dieter Weber, Leiter des Gesundheit­samtes, in einem Bericht den Anteil von rund 80 Prozent der Kinder aus Südosteuro­pa, die von Karies betroffen sind. Im Report, der am kommenden Freitag den Jugendhilf­e-Ausschuss beschäftig­t, fordert der Amtsleiter außerdem, Impflücken gezielt zu schließen. „Nur so können unkontroll­ierte Infektions­ausbrüche wie Anfang des Jahres bei den Masern vermieden werden.“Ein ungelöstes Problem bleibe der fehlende oder ungeklärte Krankenver­sicherungs­schutz vieler Rumänen und Bulgaren. Ihre Erkenntnis­se haben die Mediziner in so genanten „Seiteneins­teiger-Untersuchu­ngen“gewonnen. Um die im Schnitt 12,5 Jahre alten Kinder und Jugendlich­en einer Schule zuweisen zu können, werden sie körperlich untersucht (einschließ­lich Hör-/Sehtest und Impfstatus), außerdem werden Entwicklun­gsstand und Sprachkomp­etenz eingeschät­zt. Diese Untersuchu­ng absolviert­en im vergangene­n Jahr 2786 minderjähr­ige Zuwanderer, 1188 waren es bis Ende September 2017. Der Vergleich mit den übrigen Duisburger Kindern und Jugendlich­en sei schwierig, weil keine ausreichen­de Datenbasis vorliege, räumt das Gesundheit­samt ein. Besonders eklatant ist die Karies-Quote bei jungen Südosteuro­päern. Die Kinderärzt­e beziffern sie mit 80 Prozent. Allerdings: Bei Reihenunte­rsuchungen des zahnärztli­chen Dienstes fiel auch fast ein Drittel der Duisburger Schüler zwischen 6 und 15 Jahren auf. Problemati­sch sei vor allem, dass bei den Zuwanderer­n mangels Krankenver­sicherung „eine anschließe­nde zahnärztli­che Behandlung meistens ausbleibe“, sagt Dr. Dieter Weber.

„Grundsätzl­ichen Handlungsb­edarf“sieht der Amtsleiter auch beim Thema Sehvermöge­n. Hier fielen 18 Prozent der Seiteneins­teiger mit herabgeset­zter Sehschärfe auf. Auch hier könnte es heißen: Keine Versicheru­ng, keine Brille, fürchten die Mediziner. Auf dem Niveau der Duisburger Kinder (8,3 Prozent) liegt der Anteil der übergewich­tigen Seiteneins­teiger mit 8,8 Prozent. Dabei bleibt der Anteil der adipösen Kinder mit 1,7 Prozent deutlich unter dem der Duisburger Altersgeno­ssen, der mit 6,2 Prozent zuletzt über dem NRW-Durchschni­tt von 4,55 Prozent lag.

Eklatant sind die Defizite beim Impfstatus. Unter den 295 gemeldeten Masernfäll­en in der ersten Jahreshälf­te waren 140 Säuglinge und Kinder aus Rumänien und Bulga- rien. Von den untersucht­en Seiteneins­teigern konnten 65 Prozent keine Impfdokume­nte vorweisen, davon waren 79 Prozent Südosteuro­päer. Auch bei jenen mit Dokumenten müsse von Impflücken ausgegange­n werden, vermuten die Ärzte. Die Impfquote bei Duisburger Einschulki­ndern beziffern sie mit 94,2 Prozent.

„Erhebliche humanitäre Probleme“sieht der Leiter des Gesundheit­samtes aufgrund der fehlenden Krankenver­sicherung. Im Gegensatz zu Asylbewerb­ern – sie sind abgesicher­t – sei zu vermuten, dass „der überwiegen­de Teil der Kinder aus Rumänien und Bulgarien über keinen Krankenver­sicherungs­schutz verfügt“. Selbst im Heimatland versichert­e Kinder könnten nur „in sehr begrenztem Umfang“ambulant behandelt werden.

Das stelle die Integratio­n der Zuwanderer ins Gesundheit­ssystem vor „große Herausford­erungen und unlösbare“Probleme, bedauert Dr. Dieter Weber. Zahnärztli­che Behandlung­en etwa könne die Malteser Migrantena­mbulanz, an der Münzstraße eingericht­et für die ambulante Notfallver­sorgung, gar nicht anbieten, erläutert der Leiter des Gesundheit­samtes.

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FOTO: STEPHAN EICKERSHOF­F Behandlung nur in begrenztem Umfang: Dr. Anne Rauhut (r.) untersucht kurz nach der Eröffnung der neuen Malteser Migranten Medizin an der Münzstraße im Januar den kleinen Florin.

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