Ein Viererpack für die Ewigkeit
Bernard Dietz schrieb am 5. November 1977 Fußball-Geschichte. Als Abwehrspieler erzielte er beim 6:3-Sieg über Bayern München vier Tore. Sepp Maier und Kalle Rummenigge waren machtlos.
FUSSBALL Es ist ein Foto der Zeitgeschichte des deutschen Fußballs. Karl-Heinz Rummenigge kneift die Augen zusammen, reißt das Bein hoch, kann den Ball aber nicht mehr treffen. Stattdessen trifft der JungStürmer des FC Bayern München den Kopf von Bernard Dietz. Vertauschte Rollen: Der Angreifer will den Verteidiger stoppen. Es sollte dem heutigen Vorstandsvorsitzenden der Bayern an jenem 5.November 1977 nicht gelingen. Dietz erzielte beim 6:3 (1:2)-Sieg des MSV Duisburg gegen die Bayern in der Bundesliga vier Treffer – als Abwehrspieler. Das gelang nach ihm niemand mehr. Ein Rekord für die Ewigkeit.
Dieses verrückte Spiel ist 40 Jahre her. Bernard Dietz spricht über Emotionen, Kuriositäten. Und über seinen damaligen Trainer, dem er vermutlich den Job gerettet hatte. Otto Knefler nahm Dietz nach dem Spiel in den Arm und sagte ihm: „Heute hast du für mich gespielt.“
Knefler stand damals auf der Kippe. Der MSV kämpfte gegen den Abstieg, stand vor der Partie auf Rang 14. Die Bayern waren damals weit davon entfernt, eine Spitzenmannschaft zu sein. Das Team von Trainer Dettmar Cramer belegte vor dem Gastspiel in Duisburg den 13. Platz. In den Augen der Fans standen die Zebras in der Pflicht zu siegen. Dietz brachte den MSV mit dem legendären Kopfball in Führung, doch die Bayern drehten noch vor der Pause das Spiel.
Dank eines von Gerd Müller verwandelten Foulelfmeters führten die Bayern 2:1. „Wir gingen mit einem Pfeifkonzert in die Kabine“, er- innert sich Dietz. Vier Minuten nach der Pause glich der damals 29 Jahre alte Ennatz per Linksschuss zum 2:2 aus, doch Bomber Gerd Müller schlug zurück und traf zum 2:3. In der 76. Minute war Dietz mit seinem dritten Treffer zur Stelle. Er machte Sepp Maier im Bayern-Tor nass, umspielte ihn und schob zum 3:3 ein.
Bayern-Stürmer Kalle Rummenigge, den Dietz bewachen sollte, konnte gegen ihn nichts ausrichten. „Der musste hinter mir herlaufen“, erinnert sich Dietz an die kuriose Konstellation. Auch MSV-Abwehrspieler Kees Bregman konnte ihn nicht stoppen. Dietz: „Kees sagte mir, es sei genug. Das 3:3 wäre ein gutes Ergebnis. Dann habe ich ihm scherzhaft zugerufen, dass ich das vierte Tor auch noch machen würde.“Zwei Minuten später klingelte es wieder im Kasten von Sepp Mai- er: Dietz köpfte zum 4:3 ein. Das war der Knockout für die Bayern. Ronny Worm und Norbert Stolzenburg erhöhten in der Schlussphase noch auf 6:3.
Die Fans im Wedau-Stadion feierten den vierfachen Torschützen. Auch Schlagersänger Roberto Blanco, der auf der Ehrentribüne saß, war aus dem Häuschen: „Die Nummer fünf bei Duisburg ist einsame Klasse!“Seine Klasse als Goalgetter hatte Dietz schon als junger Spieler bewiesen. „Ich kam ja als Offensivmann zum MSV. Dort haben sie mich zum Verteidiger umgeschult“, erinnert sich der heute 69-Jährige, der dem aktuellen Vorstand des MSV angehört.
Zehn Jahre vor seinem Meisterstück gegen die Bayern hatte Dietz in einem Pokalspiel für seinen Heimatverein SV Bockum-Hövel in einem Pokalspiel fünf Tore erzielt. In der Verlängerung, fünf Treffer hintereinander.
Mit seinen Offensivqualitäten machte sich Dietz in jungen Jahren einen Namen. Der 1.FC Köln wollte ihn verpflichten. „Die wollten mich aber zunächst nach Lünen in die Regionalliga verleihen“, entschied sich Dietz dann für einen Wechsel zum MSV Duisburg.
Der FC Bayern München erholte sich in der Saison 1977/78 vom Debakel an der Wedau nicht mehr. Die Bayern beendeten das Spieljahr mit 13 Niederlagen auf dem zwölften Rang. Für den MSV war es am Ende eine der erfolgreichsten Bundesliga-Runden der Vereinsgeschichte. Am letzten Spieltag sicherten die Meidericher mit einem 1:0-Erfolg über Schalke 04 Platz sechs und qualifizierten sich für den Uefa-Pokal.
Der Torschütze: Bernard Dietz.