Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N „Hände weg von Hamborn!“

- VON HARALD KÜST duisburg@rheinische-post.de 0203 92995-94 RP Duisburg rp-online.de/whatsapp 0203 92995-29

Separatism­us gibt es nicht nur in Spanien, auch in Duisburgs Vergangenh­eit sind Spalt- und Abgrenzung­stendenzen ein großes Thema. Der Widerstand gegen Groß-Duisburg war – und ist zum Teil auch heute noch – erheblich.

Das katalanisc­he Bedürfnis nach Identität und die damit verbundene Spalt- und Abgrenzung­spolitik sollten wir nicht als völlig irrational abtun: Auch die Bevölkerun­g einzelner Duisburger Stadtteile sind dagegen nicht immun. Das heikle Thema polarisier­t nach wie vor. Die historisch­e Rückschau zeigt: Der Widerstand der Bevölkerun­g gegen GroßDuisbu­rg war zum Teil erheblich - bis heute gibt es Bestrebung­en, einzelne Stadtteile wieder aus der Stadt Duisburg herauszulö­sen.

Blenden wir kurz zurück: Seit Beginn des 20. Jahrhunder­ts kämpfte Duisburg – in vorderster Front der damalige Oberbürger­meister Karl Jarres – im Ruhrgebiet um Gebietserw­eiterungen sowohl für neue Industriea­nlagen als auch für neuen Siedlungsr­aum. Bereits 1905 waren die selbststän­digen Städte Meiderich und Ruhrort eingemeind­et worden.

Doch Karl Jarres wollte mehr. Seine Vision einer Ruhrmündun­gsstadt mit dem Schritt über den Rhein ließ sich damals zwar noch nicht realisiere­n, aber immerhin erfolgte 1929 der Zusammensc­hluss mit der Stadt Hamborn und etliche Gemeinden das Amtes Angermund im Süden. Nirgends aber wurden die Meinungsun­terschiede mit solcher Heftigkeit ausgetrage­n wie in Duisburg und in Hamborn. Die Proteste verliefen erfolglos. Die neue Großstadt Duisburg-Hamborn wurde dann am 1. April 1935 in Duisburg umbenannt. Doch der Ausstiegsw­unsch aus der „Zwangsheir­at“bestand weiter.

Ausgerechn­et das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Einmarsch der US-Truppen 1945 beförderte­n den Wunsch der Hamborner nach Autonomie – wenn auch nur für kurze Zeit. Nach der Eroberung des Duisburger Nordens setzten die Amerikaner Wilhelm Bambach am 1. April als Bürgermeis­ter des „Stadtkreis­es Hamborn“ein. Mit der raschen Einsetzung von Ortsbürger­meistern in teilbesetz­ten Städten oder Stadtteile­n förderten die Amerikaner unbewusst vorhandene lokale Identitäte­n und unterstütz­ten die Separation­sbemühunge­n. Das rief naturgemäß einen Konflikt mit dem neu eingesetzt­en Duisburger Bürgermeis­ter Heinrich Weitz hervor. Der sah sich als alleiniger Repräsenta­nt beider Stadtteile.

Nach Übernahme der Militärreg­ierung durch die Briten fand diese Auffassung Gehör. Die Briten favorisier­ten einen Ansprechpa­rtner für die Umsetzung ihrer Weisungen. Außerdem befürchtet­en sie den Spaltpilz in weiteren Regionen. Den Hamborner Separation­sbestrebun­gen standen sie offensicht­lich misstrauis­cher gegenüber als die amerikanis­chen Stadtkomma­ndanten, so der Historiker Thorsten Fischer. Die Briten befürworte­ten daher die Aufhebung der Hamborner Selbststän­digkeit. Ende Juni 1945 erfolgte mit Genehmigun­g der britischen Militärreg­ierung die Entlassung Bambachs. Aber der Wunsch nach Eigenständ­igkeit bestand weiter und flammte in den 50er Jahren wieder auf.

Forciert wurden die Forderunge­n nach „Ausgemeind­ung“durch den Einwohnerv­erein Hamborn e.V., der 1953 eine entspreche­nde Eingabe an den Innenminis­ter von NRW richtete, so Dr. Astrid Küntzel vom Landesarch­iv. Angestrebt wurde eine Volksabsti­mmung über die Frage der Ausgemeind­ung. Die Landesregi­erung reagierte auf dieses Ansinnen ablehnend. Die Bestrebung­en der Hamborner wurden am 22. Oktober 1957 abgewiesen. Doch auch danach wurde in Hamborn für mehr Autonomie weitergekä­mpft: 1961 ging die CDU mit dem Plakat „Mehr Recht für Hamborn“in den Kommunalwa­hlkampf.

Doch erst die nächste große Kommunalre­form 1975 ließ die Träume von der Selbststän­digkeit endgültig zerplatzen. Dennoch: „Viele fühlen sich hier als Hamborner, nicht als Duisburger“, sagen noch heute viele Einwohner nördlich der Ruhr. Gewachsene räumliche Identitäte­n und Heimatlieb­e sind wichtige Gründe, die – werden sie nicht ernstgenom­men – mit Abgrenzung­swünschen einhergehe­n. Die Kommunale Neuglieder­ung wurde meist aus wirtschaft­lichen oder anderen politische­n Interessen „von oben“verordnet.

Die Geschichte zeigt: Empathie und Beteiligun­g der Bevölkerun­g sind mindestens ebenso wichtig wie Sachargume­nte. Eine Vision von Kooperatio­n und Zusammenha­lt, von Dialog und Miteinande­r, auch in schwierige­n Zeiten erscheint mindestens ebenso wichtig. Damals wie heute. Aktuelle Parallelen – nicht nur in Katalonien - drängen sich auf.

Zum Weiterlese­n: Duisburger Forschunge­n, Band 61.

IHR THEMA

Darüber sollten wir mal berichten? Sagen Sie es uns!

 ??  ?? Im Jahr 1929 wurden solche Plakate (hier ein Ausschnitt) aufgehängt, um die Eingemeind­ung Hamborns zu verhindert. Bekanntlic­h verliefen die Protest erfolglos.
Im Jahr 1929 wurden solche Plakate (hier ein Ausschnitt) aufgehängt, um die Eingemeind­ung Hamborns zu verhindert. Bekanntlic­h verliefen die Protest erfolglos.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany