Rheinische Post Duisburg

Ciullis und Flakes naive Gutmensche­n-Fantasie

- VON INGO HODDICK

Wenn das Theater an der Ruhr aus Mülheim in Duisburg gastiert, bleibt das hiesige Haus immer halb leer. Und auch diesmal bei „Clowns im Sturm“, das ist eine „komischmus­ikalische Traumfahrt in die Fremde“von Regisseur Roberto Ciulli (83) und dem Musiker Matthias Flake, leerten sich im Verlauf der 100-minütigen pausenlose­n Vorstellun­g einige Reihen noch weiter.

Ein verlassene­r Rucksack, der auch noch zu ticken scheint, lässt uns inzwischen zittern. Ein Typ mit schwarzem Vollbart wirkt erst einmal verdächtig. Der Orient ist für den Okzident nicht mehr - wie noch mindestens bis zum Ersten Weltkrieg - ein Ort der Sehnsucht, sondern einer des Schreckens. Auf diese Weltlage kann man eigentlich nur noch als Clown reagieren, der auch das Todernste nicht todernst nimmt und der das Scheitern feiert. Eine Gruppe von elf skurrilen Figuren plus Ciulli selbst begibt sich auf eine imaginäre Reise nach Südosten, fast ohne (verständli­che) Sprache. Da wird Wasserpfei­fe geraucht, da wird sich die Füße gewaschen, da wird gesungen, da konzertier­t ein SteinOrche­ster. Da erschießt Ciulli alle, bevor er sie – nachdem sie aus dem Traum wieder erwacht sind – verwundert fragt, wo sie denn die ganze Zeit gewesen seien.

Das Ganze ergibt leider kaum mehr als eine weitgehend sinn- und witzfreie, naive Gutmensche­n-Fantasie: als wäre die Welt letztlich in Ordnung (vor allem, wenn man am Ende Spaghetti kocht), als wäre der radikale Islam keine globale Gefahr, als könnten Humor oder gar Musik die Menschheit erlösen. Da hilft es auch wenig, dass die Mülheimer Darsteller – die zum Teil schon seit Jahrzehnte­n dabei sind – wieder erstklassi­ges Schauspiel zeigen, wenn zum Beispiel Fabio Menéndez einen wunderbare­n Alessandro Moreschi (der war im wirklichen Leben der letzte Kastrat) gibt, kurz sogar eine Kerze auf dem Kopf balanciert.

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FOTO: JOACHIM SCHMITZ Konnte trotz erstklassi­ger Schauspiel­leistungen nicht überzeugen: Szene aus „Clowns im Sturm“.

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