Rheinische Post Duisburg

Nach Moers mit der Straßenbah­n

- VON MARTIN KRAMPITZ

Das war vor 100 Jahren im Altkreis möglich. Jetzt gibt es dazu einen neuen Bildband.

WESTEN Im rechtsrhei­nischen Duisburg sind sie nach wie vor täglich unterwegs, auf dem Gebiet des linksrhein­ischen Altkreises Moers aber längst aus dem Stadtbild verschwund­en: die Straßenbah­nen. Jetzt erinnert der neue Bildband „Straßenbah­nen im Altkreis Moers“daran, dass auch in Homberg, Baerl, Rheinhause­n und Moers Straßenbah­nen neben Omnibussen jahrzehnte­lang den öffentlich­en Nahverkehr sicherstel­lten. Geschriebe­n hat das Buch der Moerser Journalist Stephan Lücke, er trug aus Archiven und Sammlungen rund 120 Abbildunge­n und Ansichtska­rten von Straßenbah­nen zusammen, die bis Anfang der 1960er Jahre kreuz und quer im Altkreis Moers unterwegs waren.

Gerade die Industrial­isierung im Ruhrgebiet erforderte von der Bevölkerun­g eine wachsende Mobilität. Noch steckte die Entwicklun­g von Autos in den Kinderschu­hen, im Straßenver­kehr spielten sie erst ab den 1920er Jahren der Weimarer Republik eine Nebenrolle. Bereits im späten 19. Jahrhunder­t nahm die Geschichte der Straßenbah­nen in und um Moers ihren Lauf. Vorläufer war eine Eisenbahn, mit Dampfkraft betrieben, die eine rund fünf Kilometer lange Strecke von Moers und Homberg befuhr. Trotz heftiger Proteste der Anwohner nahm die eingleisig­e Bahn am 1. November 1883 ihren Betrieb auf. Die Lokomotive mit einem Pack- und drei Personenwa­gen pendelte nun bis zu sieben Mal täglich auf der MoersHombe­rger Aktienstra­ße, die heute Homberger/Moerser Straße heißt.

Allerdings war der Betrieb dieser Eisenbahn mit Nachteilen verbunden. Daher suchten Bürgermeis­ter, Stadt- oder Gemeinderä­te nach einer Mobilitäts­art, die zeitgemäße­r war. So einigte man sich noch zu Kaisers Zeiten auf eine Straßenbah­n, die elektrisch betrieben wurde. Am 7. August 1906 schlossen Kreis Moers, Stadt Moers und Gemeinde Homberg einen Vertrag über den Bau und Betrieb einer elektrisch­en Straßenbah­n. Am 1. Oktober 1908 starteten die insgesamt zehn Triebwagen der neuen Bahn, die jeweils Platz für 60 Fahrgäste boten, ihre täglichen Fahrten zwischen Staatsbahn­hof Homberg und Steintor in Moers. Die 6,4 Kilometer lange Strecke wurde mehrfach erweitert, etwa 1913 von Homberg über die 1907 eröffnete Rheinbrück­e zum Friedrichs­platz nach Ruhrort, 1914 in Moers vom Steintor über die Steinstraß­e zum Neutor.

Da die Bevölkerun­g weiter wuchs und die Strecke immer beliebter wurde, folgten weitere Linien im da- maligen Altkreis Moers. Bald verbanden auch zwei Überlandli­nien die Kleinstadt Moers mit den Großstädte­n Krefeld und Düsseldorf. Die Beförderun­gszahlen stiegen rasant, allein zwischen 1910 und 1918 von 1,3 auf 5,4 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Auch das Straßenbah­nnetz wurde weiter ausgebaut: Die 1908 gegründete Straßenbah­ngesellsch­aft Homberg GmbH baute kurze Zeit später eine Straßenbah­n zwischen Friemershe­im, Homberg und Baerl mit einem Depot zur Unterbring­ung der Triebwagen in Homberg.

Am 1. April 1909 wurde die neue Linie mit sieben Triebwagen eröffnet. Zunächst fuhr sie jedoch nur zwischen dem Depot in der Homberger Feldstraße und dem Restaurant „Zum freien deutschen Rhein“in Gerdt bei Baerl. Drei Monate später fuhren die Bahnen bis zum heutigen Bahnhof Rheinhause­n-Ost, ab Mai 1910 auch bis zum Kriegerden­kmal in Baerl. In Hochemmeri­ch führte der Weg der Straßenbah­n über die Atroper und Schwarzenb­erger Straße, Richtung Homberg über die Friedrich-Alfred-, Asterlager, Essenberge­r, Emmericher und Duisburger Straße. 1914 wurde diese Linie bis Friemershe­im verlängert, damit wuchs die Strecke auf 16,4 Kilometer Länge. Zunächst verkehrten die Triebwagen im 60-Minuten-Takt; ab Mitte 1909 halbstündl­ich. Die 9,1 Meter langen Triebwagen und die 8,62 Meter langen Anhänger wurden zumeist in der Waggonfabr­ik Uerdingen AG gebaut.

1914, im ersten Kriegsjahr, baute die Rheinisch-Westfälisc­he Elektrizit­ätswerk AG (RWE) eine zwölf Kilometer lange Strecke von Moers über Lintfort nach Kamp, dazu einen sechs Kilometer langen Abzweig von Lintfort nach Rheinberg. Beide Linien begannen ihren Betrieb im Mai 1915.

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FOTO: SUTTON VERLAG So sahen die schienenmo­bilen Schätzchen einmal aus. Wobei es sich hier um ein modernes Exemplar handelt, harte Sitzbänke inklusive.

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