Steinmeier führt jetzt Regie
den Parteien kommt nach dem Aus für Jamaika der Ruf nach Neuwahlen, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lehnt das vehement ab. Und er hat die deutsche Verfassung und staatsrechtliche Expertise auf seiner Seite.
BERLIN Der Bundespräsident war gestern sehr klar: „Die Parteien dürfen die Verantwortung für Deutschland nicht einfach an die Wähler zurückgeben.“Das schließt Neuwahlen als einfachste Lösung erst einmal aus. Diese sind auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich. „Es wird der Eindruck erzeugt, das Volk müsse so lange wählen, bis es passt“, kritisiert der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart, der es für „unergiebig“hielte, wenn die Parteien dann auch noch mit dem gleichen Personal anträten.
Tatsächlich hat der Bundespräsident, der jetzt so mächtig ist wie selten in der deutschen Verfassungsgeschichte, das Heft des Handelns in der Hand. Er wird mit den Parteien, deren politische Programmatik Schnittmengen aufweisen, intensiv reden. Es ist durchaus möglich, dass er dabei auch der eigenen Partei, der SPD, die Leviten liest. Denn anders als die FDP haben die Sozialdemokraten noch nicht einmal ernsthaft über eine Regierungsverantwortung verhandelt. Steinmeier wird damit zum Vermittler neuer Sondierungsgespräche. Gut möglich, dass er auch den Liberalen nochmals ins Gewissen redet.
Das Staatsoberhaupt hat dabei durchaus Druckmittel in der Hand. Denn es obliegt ihm allein, ob am Ende Neuwahlen den Weg aus der Krise weisen. Lehnt Steinmeier diese Möglichkeit ab, könnte sogar eine Minderheitsregierung herauskommen. Das zeigt, dass sein Druckmittel ziemlich stark ist.
Steinmeier ist dabei im Einklang mit dem Grundgesetz. Denn die Verfassungsväter und -mütter sahen es als Lehre aus den häufigen Neuwahlen der Weimarer Republik an, vor diesen bequemen Ausweg hohe Hürden zu stellen. Steinmeiers Aufgabe ist trotzdem gewaltig: Was der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel mit Jamaika nicht gelungen ist, muss er dann aus einer übergeordneten Position erreichen.
Anders als Merkel hat der Präsident den Vorteil, dass er über den Parteien steht. Er hat also keine eigene Machtagenda. Die Parteien könnten ihn deshalb als ehrlichen Makler wahrnehmen. Das wird den Druck auf die Parteien wie Liberale und Sozialdemokraten erhöhen, die jetzt ihr Heil eher in der Opposition suchen. Als im politischen Geschäft erfahrener Akteur kommt ihm auch zugute, dass er die Mechanismen der Koalitionsbildung in- und auswendig kennt. Er weiß, wie die Führungen ticken und wie sie das Ergebnis ihrer jeweiligen Basis verkaufen müssen.
Erst wenn dieser Weg scheitert, muss er zu den rechtlich gebotenen Konsequenzen greifen und einen Kandidaten als Kanzler vorschlagen, der die absolute Mehrheit im Bundestag mit aller Wahrscheinlichkeit verfehlt. Dann besteht nach Artikel 63 des Grundgesetzes die Möglichkeit, dass sich Merkel – auf Vorschlag des Bundespräsidenten – im Bundestag ohne gesicherte Regierungsmehrheit zur Wahl stellt.
Theoretisch könnte der Bundespräsident auch einen Sozialdemokraten oder einen Abgeordneten einer weiteren Partei vorschlagen. Bislang aber