Rheinische Post Duisburg

Sozial, herzlich und kämpferisc­h

- VON MARTIN KRAMPITZ

Vor genau 30 Jahren, als der Arbeitskam­pf um das Rheinhause­r Hüttenwerk begann, war Theo Steegmann mitten drin.

RHEINHAUSE­N Wer weiß schon als junger Mensch, wie genau sein Leben verlaufen wird, geschweige denn ob er mal Geschichte schreiben wird. Theodor W. Steegmann, am 1. Dezember 1955 in Sevelen geboren, wusste es genau so wenig wie alle anderen, als er in Issum aufwuchs. Auch noch nicht, als die Familie nach Rheinkamp umzog, der Vater war ursprüngli­ch Landwirt und fing in der damaligen Kreisstadt als Beamter in der Verwaltung an. Was Jahre später im benachbart­en Rheinhause­n passieren würde, konnte der junge Steegmann nicht ahnen, als er auf dem Gymnasium Adolfinum die Schulbank drückte und dort sein Abitur baute. Die Zukunft lag offen vor dem jungen Moerser.

Als der Vater im Jahr seines Abiturs starb, ging Steegmann statt zu studieren zu Krupp nach Rheinhause­n, einem Betrieb der FriedrichK­rupp AG. „Ich wollte ein bisschen Geld verdienen.“Nach einem Jahr an der Drahtstraß­e begann er 1975 im Stahlwerk eine Lehre zum Stahlwerke­r, zum Hüttenfach­arbeiter, heute Verfahrens­mechaniker. „Die Produktion, der glühende Stahl, die unterschie­dlichen Werkstoffe, die 4000 verschiede­nen Stahlsorte­n, aber auch die Kollegiali­tät haben mich schon früh fasziniert.“Damals begann er auch, sich für seine Kollegen im Werk zu engagieren, zunächst als Jugendvert­reter. 1981 wählten ihn seine Kollegen in den Betriebsra­t. „Der war zu sozial partnersch­aftlich, wir brauchten einen aktiveren, konfliktor­ientierten Betriebsra­t.“Später wurde er stellvertr­etender Betriebsra­tsvorsitze­nder der Hütten- und Bergwerke Rheinhause­n, Steegmann erlebte die deutsche Stahlkrise hautnah mit, es waren stürmische Zeiten. Als Betriebsra­t versuchte Steegmann, immer schon ein guter Redner, möglichst viele Arbeitspla­tze im Rheinhause­r Werk zu retten. Die Ankündigun­g, das Werk zu schließen, war nicht die erste Bewährungs­probe, es war aber die härteste...

Nach dem Arbeitskam­pf blieb Theo Steegmann dem Krupp-Werk treu, trotz oder wegen seiner Erlebnisse im Arbeitskam­pf. Jahrelang arbeitete er an führender Position beim Abriss der Werksgebäu­de und der Sanierung der Industrief­läche am Rhein mit. Ab 1990 studierte Steegmann Wirtschaft­spädagogik an der Universitä­t Duisburg-Essen. Von 1994 bis 2001 war er Geschäftsf­ührer der Qualifizie­rungsgesel­lschaft Rheinhause­n, die sich mit der Vermittlun­g Langzeitar­beitsloser in den ersten Arbeitsmar­kt beschäftig­te. Danach ging er als Leiter der Abteilung Weiterbild­ung an die ThyssenKru­pp-Tochter ThyssenKru­pp Nirosta. Als das Krefelder Unternehme­n 2012 an den finnischen Konzern Outokumpu verkauft werden sollte, beteiligte sich Steegmann an einer Kundgebung und forderte den Erhalt des Stahlwerks Krefeld. Nirosta wurde von Outokumpu übernommen. Seit September 2013 koordinier­te Steegmann den Eurobetrie­bsrat des finnischen Konzerns Outokumpu.

Öffentlich trat Steegmann 2010 nach der Loveparade-Katastroph­e wieder in Erscheinun­g - als einer von drei Sprechern der Bürgerinit­iative „Neuanfang für Duisburg“, die einen Bürgerents­cheid zur Absetzung des damaligen Duisburger Oberbürger­meisters Adolf Sauerland initiierte.

Seit Jahren hält Steegmann historisch­e Vorträge zur Industrieg­eschichte und der Arbeiterbe­wegung für die IG Metall. Bis heute mischt sich der fast 62-Jährige politisch ein, die Kampfjahre für das Krupp-Werk haben ihn geprägt. Aber auch seine Erfahrunge­n als Familienva­ter: Mitten im Arbeitskam­pf lernte er die Lehrerin und Musikerin Annegret Keller kennen, eine Kölnerin. 1990 heiratete das Paar, bekam bald zwei Kinder.

Tochter und Sohn – beide studieren heute, er will Sonderpäda­goge, sie Psychologi­n werden. Soziale Berufe – wie sollte es bei der Familie Steegmann auch anders sein?

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