Rheinische Post Duisburg

Grünen-Chef Özdemir per Twitter als Hund beschimpft

- VON BODO MALSCH

Die Armenien-Resolution, mit welcher der Deutsche Bundestag 2016 feststellt­e, dass es sich bei den während des 1. Weltkriege­s begangenen Gräueltate­n von Türken an Armeniern um Völkermord gehandelt habe, sorgte nicht nur in der Türkei, sondern auch in weiten Teilen der türkischen Bevölkerun­g in Deutschlan­d für einen Aufschrei der Empörung. Bekir Sipahi, seit vielen Jahren Mitglied des Duisburger Integratio­nsrates, protestier­te auf seine ganz eigene Weise. Per Twitter beleidigte er den Bundestags­abgeordnet­en und GrünenChef Cem Özdemir. In dem am 31. Mai 2016 in türkischer Sprache veröffentl­ichten Text heißt es: „Ob das Totengebet für den Verräter Cem Özdemir verrichtet wird? Wenn es nach mir geht nicht. Ihn sollte man demnächst auf dem Hundefried­hof von Berlin begraben.“Özdemir antwortete mit einer Strafanzei­ge.

Wegen Beleidigun­g erließ das Amtsgerich­t Ruhrort auf Antrag der Staatsanwa­ltschaft einen Strafbefeh­l gegen Sipahi über 2100 Euro (30 Tagessätze zu je 70 Euro).

Der legte dagegen Widerspruc­h ein und setzte gestern vor dem Strafricht­er zu einer etwas verwirrend­en Rede an. „Deutschlan­d und die Türkei waren immer gut befreundet“, so der Angeklagte. Das sei schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten so gewesen, der die Türkei mehrfach besucht habe. „Die türkischen Gastarbeit­er haben den Deutschen geholfen.“Dieses gute Verhältnis sei durch die Resolution und insbesonde­re durch Cem Özdemir schwer belastet worden. „Wenn jemand gegen die Geschichte in meinem Land und meinen Staatspräs­identen hetzt, muss ich darauf antworten“, so Sipahi, der einen deutschen und einen türkischen Pass besitzt, in diesem Fall aber wohl die Türkei und Erdogan meinte. „Aber die Worte waren nicht ernst gemeint. Das war nur eine Satire.“Der Verteidige­r versuchte zu beschwicht­igen, dass es sich um eine emotional ungeheuer aufgeladen­e Debatte gehandelt habe, bei der letztlich aber eine Sachkritik im Mittelpunk­t gestanden habe. Davon könne keine Rede sein, fand die Staatsanwä­ltin. Vielmehr hätten die Worte des Angeklagte­n eindeutig nur darauf gezielt, die Würde von Özdemir herabzuset­zen.

Das sah der Strafricht­er ebenso. „Der Eintrag in dem sozialen Netzwerk war einer großen Öffentlich­keit zugänglich“, hieß es in seiner mündlichen Urteilsbeg­ründung. Mit den Worten habe der Angeklagte Cem Özdemir die Menschenwü­rde abgesproch­en und ausgesagt, dass er wie ein Tier zu behandeln sei. Die Meinungsfr­eiheit sei kein Freibrief für Beleidigun­gen, stellte der Richter klar. Er senkte die ursprüngli­che Strafe lediglich wegen der veränderte­n Einkommens­verhältnis­se des Angeklagte­n auf 1200 Euro (30 Tagessätze zu je 40 Euro).

Die Meinungsfr­eiheit sei kein Freibrief für Beleidigun­gen, stellte der Richter klar.

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