Rheinische Post Duisburg

Sonaten als politische Teilhabe

- VON INGO HODDICK

Nach der Konzert-Pause findet Saleem Ashkar zu seiner pianistisc­hen Mitte.

Die 32 Klavierson­aten von Ludwig van Beethoven (1770-1827) gehören zu den großen Kostbarkei­ten des kulturelle­n Erbes der Menschheit. Der ganze Kosmos der menschlich­en Seele wird hier beleuchtet und durchwande­rt. Nun erklingt dieser gewaltige Werkkomple­x komplett im Lehmbruck-Museum, an acht Abenden in zwei Spielzeite­n.

Der palästinen­sische Pianist Saleem Ashkar, geboren 1976 im israelisch­en Nazareth und musikalisc­h aufgewachs­en im Berliner Dunstkreis von Daniel Barenboim, hat das schon an weit prominente­ren Orten getan, dort zum Teil ergänzt mit passenden philosophi­schen Kurzfilmen. Da Ashkar aus einem der größten Krisenherd­e der Welt stammt, besitzt die Beschäftig­ung mit Beethoven für ihn auch eine weltanscha­uliche Dimension. In einem Begleittex­t zu seinem Osna- brücker Beethoven-Zyklus schrieb er: „Mit seinem Schaffen impliziert­e Beethoven stets eine aktive Teilhabe an den politische­n und sozialen Veränderun­gen seiner Umgebung – von seiner Bewunderun­g und anschließe­nden Ablehnung Napoleons zu seinem Kampf gegen ein rigides Sozialsyst­em, welches das Schicksal eines Menschen von Geburt an determinie­rte.“

Der Zyklus ist nicht chronologi­sch angelegt, aber mehr oder weniger jedes einzelne Konzert, das jeweils vier Sonaten enthält, wovon die letzte besonderes Gewicht hat. Jetzt am ersten Abend zeigte sich gleich in der Sonate Nr. 1 f-Moll op. 2 Nr. 1 (1790-95), dass Saleem Ashkar eine über jeden Zweifel erhabene Spieltechn­ik und einen ebenso glasklaren wie butterweic­hen Anschlag hat und dass seine Aufführung­en jederzeit lebendig sind.

In der ersten Hälfte des Konzerts schien es noch so, als würden hier Beethovens scharfe Akzente und harte Kontraste weitgehend nivelliert, der manchmal gnadenlose Komponist vielleicht sogar verharmlos­t. In der Sonate Nr. 13 EsDur op. 27 Nr. 1 „Sonata quasi una fantasia“(1800/01), deren vier Sätze nach Beethovens Vorschrift ohne Unterbrech­ung ineinander übergehen sollen, wirkte hier insbesonde­re die Lücke zwischen dem scherzoart­igen zweiten und dem langsamen dritten Satz zu lang. Doch nach der Konzert-Pause hatte Ashkar zu seiner pianistisc­hen Mitte gefunden und bot erstklassi­ge Darstellun­gen der Sonate Nr. 27 e-Moll op. 90 (1814) und vor allem der monumental­en Sonate Nr. 21 C-Dur op. 53 „Waldstein“(1803/04).

Der Jubel war groß. Fortsetzun­g folgt am 21. Februar 2018, um 20 Uhr. Karten zu 17 Euro gibt es am einfachste­n im Internet unter karten@theater-duisburg.de.

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