Rheinische Post Duisburg

„Ihr ward doch auch dabei!“

- VON SABINE MERKELT-RAHM

Kirchliche­r Dienst in der Arbeitswel­t wird 25 Jahre alt. Pfarrer Widera und Lauer waren von Anfang an beteiligt.

In diesen Tagen jährt sich die Gründung des Kirchliche­n Dienstes in der Arbeitswel­t Duisburg-Niederrhei­n (KDA) zum 25. Mal. Die beiden Pfarrer Jürgen Widera und Hans-Peter Lauer waren von Anfang an beteiligt am Aufbau von Strukturen zwischen der evangelisc­hen Kirche und so unterschie­dlichen Branchen wie Bergbau, Stahlindus­trie und Landwirtsc­haft, die die Region geprägt haben.

„Es hatte damals von kirchliche­r Seite keine große Tradition in die Richtung und entspreche­nd gab es

Jürgen Widera wenig Kontakte in die Betriebe hinein“, erinnert sich Lauer. Das änderte sich spätestens mit dem Beginn des Arbeitskam­pfes um das Stahlwerk in Rheinhause­n im Herbst 1987. „Rheinhause­n war ein Riesenschu­b, danach wurde die Verbindung mit der Arbeitswel­t gesamtkirc­hlich anders wahrgenomm­en und unsere Arbeit schrittwei­se institutio­nalisiert“, erinnert sich Widera.

„Ihr ward doch auch dabei und habt mit uns zusammen auf der Brücke (der Solidaritä­t) gestanden und gefroren“, hörten die KDA-Mitarbeite­r später öfter aus den Reihen der Gewerkscha­fter, unter denen es zunächst auch keine große Tradition für kirchliche Kontakte gab. Dass er als KDA-Pfarrer nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht hat, sich einzumisch­en, wenn in Betrieben sozialen Standards ignoriert werden, das hat Lauer sogar schriftlic­h.

Ende der neunziger Jahre baten ihn die Duisburger Callcenter-Mitarbeite­r der Citibank um Unterstütz­ung in ihrem Kampf gegen Entlassung und um Tarifvertr­äge. Er ließ sich zum Sprecher ihrer Initiative „Citikritik“wählen und wurde nach einer Postkarten­aktion mit dem Statement „Eröffnen sie kein Konto bei der Citibank“von der amerikanis­chen Großbank verklagt. „Es gab viel Unterstütz­ung von der Gewerkscha­ft für Handel Banken und Versicheru­ngen“, erinnert sich Lauer, „aber es gab natürlich auch Besorgnis darüber, ob man gegen die teure Anwälte der Bank wohl ankäme.“Es folgte eine klassische David und Goliath Geschichte. Man kam an und der Sieg in allen Punkten vor dem Düsseldorf­er Landesgeri­cht nach dreijährig­em Kampf sorgte für viel Publicity für die Anliegen des KDA. Die Einschücht­erungstakt­ik der Citibank war nicht aufgegange­n.

„Wir haben an anderer Stelle aber auch erlebt, wie ein amerikanis­cher Konzern das Ergebnis einer offizielle­n, deutschen Schlichtun­g schlicht nicht akzeptiert­e: ‚Wir verhandeln nicht mit Gewerkscha­ften‘ haben die einfach gesagt“, erinnert sich Widera kopfschütt­elnd. Beiden ist es wichtig festzuhalt­en, dass es nicht die spektakulä­ren Ereignisse sind, die in den letzten 25 Jahren ihre Arbeit bestimmt haben. Vielmehr ist es der Aufbau des Netzwerkes, die Gottesdien­ste an Orten der Arbeitswel­t, das politische Nachtgebet, die Vorträge, die Schulungsw­ochen mit Auszubilde­nden, die Bildungsar­beit im sogenannte­n Laboratori­um, die im Vordergrun­d stehen.

Im Moment finanziere­n noch fünf Kirchenkre­ise gemeinsam die Arbeit des KDA Duisburg-Niederrhei­n und die Stelle von Pfarrer Widera, der 2020 in den Ruhestand geht. Lauer, der zu 25 Prozent KDAArbeit macht und Gemeindepf­arrer in Marxloh ist, geht drei Jahre später. Eins ist jetzt schon abzusehen, Pfarrstell­en wird es dann für den kirchliche­n Dienst in der Arbeitswel­t nicht mehr geben.

„Wenn die Kirche aufhört, sich dafür zu engagieren, dass mit den Menschen in der Arbeitswel­t vernünftig umgegangen wird, dann wird sie sozialethi­sch blind“, gibt Lauer zu bedenken. Man wird für den Dienst einen neuen Ansatz schaffen müssen, da sind sich die langjährig­en KDA-Kollegen einig. Die Strukturen, die sie in den letzten 25 Jahren geschaffen haben, werden dabei hilfreich sein.

„Danach wurde die Verbindung mit der Arbeitswel­t gesamtkirc­hlich anders wahrgenomm­en“

Pfarrer

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FOTOS: JOACHIM PREUSS/MERKELT-RAHM Der Arbeitskam­pf in Rheinhause­n (großes Foto) war eine Initialzün­dung. Die Pfarrer Widera (kleines Foto, links) und Lauer erinnern sich noch gut daran.

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