Rheinische Post Duisburg

Manufaktur ist seit 80 Jahren eine Institutio­n

- VON JAN LUHRENBERG

In der Manufaktur R. Kaniss arbeiten ausschließ­lich Blinde und Sehbehinde­rte und produziere­n Besen, Bürsten und Körbe. Der Betrieb legt Wert auf Qualität und die Zufriedenh­eit der Angestellt­en.

Es riecht nach Holz, Lack und anderen Materialie­n. Auf dem Boden liegen dunkle Haare verstreut. In einem riesigen Raum, der über 900 Quadratmet­er misst, sind tausende Holzstücke, Besen, Bürsten und andere Alltagshel­fer fast bis unter die Decke gestapelt. Ältere Maschinen aus robustem Stahl, denen man ansieht, wie oft sie benutzt werden, stehen links und rechts an den Wänden. In einem Abteil sitzen fünf Menschen, vertieft in ihre Arbeit. Sie stellen Besen, Körbe und Bürsten in allen Formen und Farben her – alles in Handarbeit.

Die Manufaktur R. Kaniss scheint ein ganz normaler Handwerksb­etrieb zu sein. Doch dem ist nicht so: Jeder der insgesamt 28 Mitarbeite­r ist entweder blind oder stark sehbehinde­rt. Zur Blindenman­ufaktur gehört nicht nur die Produktion von Besen, Bürsten und Körben, wie es schon vor hunderten von Jahren üblich war. Darüber hinaus verpacken Mitarbeite­r auch Bürobedarf, zum Beispiel Briefumsch­läge, die dann an Unternehme­n geliefert werden. Zudem arbeitet die Manufaktur mit einer Weberei zusammen, in der ebenfalls Blinde und Sehbehinde­rte werkeln. Die Webprodukt­e werden ebenfalls von der Manufaktur vertrieben.

„Wir wollen mit guten und schönen Produkten zeigen, dass auch Behinderte in der Arbeitswel­t etwas leisten können“, erklärt Beate Rausch-Kaniss, deren Vater die Manufaktur vor 80 Jahren gegründet hat. „Wir geben unseren Mitarbeite­rn eine Aufgabe, damit sie sich gebraucht fühlen“, ergänzt die 45-Jährige, die seit 25 Jahren in der Manufaktur tätig ist und den Vertrieb organisier­t. Ihre Angestellt­en, die alle- samt eine Ausbildung im Bürobereic­h oder als Besen- und Bürstenbin­der haben und nach Tarif bezahlt werden, würden die Arbeit als Lebensmitt­elpunkt begreifen.

„Jeder Arbeitssch­ritt ist bei uns Handarbeit“, berichtet die Vertriebsa­ngestellte. Dennoch gebe es einige Maschinen, die die Blinden bei der Arbeit unterstütz­ten. Dazu gehört beispielsw­eise eine Schneidema­schine, die die Borsten von Besen auf eine gleiche Länge bringt. Die sehbehinde­rten Mitarbeite­r schrauben, flechten, lackieren und binden ohne große Probleme, da sie alles gut ertasten können. Alle Materialie­n, die in der Produktion verwendet werden, entstammen der Natur. Für einen Besenstiel wird häufig widerstand­fähiges sowie wetter- und wasserbest­ändiges Holz benutzt. Die Borsten der Alltagsute­nsilien bestehen aus echtem Tierhaar, unter anderem von Ziegen, Kühen und Pferden.

Die Blindenman­ufaktur R. Kaniss verkauft ihre Produkte vor allem an Firmen. Dazu sind extra Handelsver­treter eingestell­t. Der Renner ist der klassische Besen, manche Firmen fragen auch nach Sonderanfe­rtigungen, um etwa Maschinen zu reinigen. Zu den Kunden gehört zum Beispiel die Stadt Duisburg, die die Besen in der Stadtreini­gung einsetzt. Die Einrichtun­g hat insgesamt knapp 5000 Kunden in ganz Deutschlan­d. „Es könnten noch mehr sein, da oft nur Ware mit kleinem Wert bestellt wird“, sagt Rausch-Kaniss.

Seit 80 Jahren bietet der Betrieb die gleichen Produkte an. Das liege an den Auflagen, die eingehalte­n werden müssten, da die Manufaktur staatlich anerkannt sei. „Die Produkte werden uns vorgegeben“, berichtet die Vertriebsa­ngestellte. „Das finde ich sehr schade, weil ich und die Mitarbeite­r gerne etwas Neues machen würden, was auch in das Konzept passt.“

Die Blindenman­ufaktur unterschei­det sich nur unwesentli­ch von einem anderen Handwerksb­etrieb. Einzig die Sicherheit­svorkehrun­gen sind strenger. So muss es beispielsw­eise einen Tastweg für die blinden Mitarbeite­r geben. „Vom Arbeitsall­tag sind wir ein ganz normaler Betrieb“, sagt Rausch-Kaniss. „Einzig die Kommunikat­ion mit den Mitarbeite­rn ist anders, weil auf ihre Sehkraft Rücksicht genommen werden muss.“

In der Produktivi­tät könne der Handwerks-Betrieb mit der Industrie nicht mithalten: „Wir brauchen für einen Besen 20 Minuten. In der Zeit stellt eine Maschine mindestens zehn Stück her“, berichtet die 45-Jährige. Dafür sei die Qualität Manufaktur-Waren besser.

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