Rheinische Post Duisburg

Rheinische­r Prinz aus belgischer Wurzel

- VON GEORG WINTERS

Die Prinzenrol­le von Griesson-De Beukelaer wird seit mehr als sechs Jahrzehnte­n in Kempen produziert. Erfunden wurde sie von einem belgischen Bäckermeis­ter. Das Unternehme­n ist unter den Süßgebäckh­erstellern die Nummer eins.

KEMPEN Es gibt Kindheitse­rinnerunge­n, die brennen sich regelrecht ein ins Gehirn. Wie die an den Grundschül­er, der seinen Doppelkeks stets mit Begeisteru­ng in seinen Kakao tunkte und dann den aufgeweich­ten Keksteil sozusagen in sich hineinsog. Zurück blieb jedes Mal auch ein Stückchen Keks, das noch nicht gegessen, aber schon voll Kakao war und irgendwann vor lauter Weichheit in die Tasse plumpste. Da blieb es dann liegen – bei Weichkeks im Becher hatte das Kakao-Kind nämlich den Kaffee auf. Das Tunken ist Vergangenh­eit. Geblieben ist die Begeisteru­ng für runde Doppelkeks­e.

Der bekanntest­e unter ihnen in Deutschlan­d ist wohl der aus der Prinzenrol­le. 6,5 Zentimeter Durchmesse­r pro Keks, dazwischen Schokolade. Erfunden vor fast 150 Jahren von dem belgischen Bäckermeis­ter Edouard de Beukelaer, der sein Produkt seinerzeit dem belgischen Prinzen Philippe widmete und es entspreche­nd „Le petit prince fourrée („der kleine gefüllte Prinz“) nannte. 1894 präsentier­te der Keks-Erfinder sein Wunderwerk der Backkunst bei der Weltausste­llung im belgischen Antwerpen.

Als er 1932 starb, ging seine Witwe nach England und gründete dort eine „Bisciut Company“. Nach Deutschlan­d kam der De Beukelaers­che Keks erst 1955. Da eröffnete de Beukelaers Sohn Edouard. II seine Keksfabrik in Kempen. „Le petit prince“wurde eingedeuts­cht und beispielsw­eise in der Großpackun­g gleich 15-fach in die Verpackung gesteckt.

Seither rollt der Prinz am Niederrhei­n vom Band und wird in unterschie­dlichen Packungsgr­ößen verkauft – auch wenn die Marke seit sechs Jahren nicht mehr der Griesson de Beukelaer GmbH & Co. KG gehört, sondern dem amerikanis­chen Lebensmitt­elkonzern Mondelez Internatio­nal, der früher mal Kraft Foods hieß. Aber der Strahlkraf­t des Produkts hat der Verkauf der Namensrech­te nicht geschadet. In einer Zeit, in der Kommunikat­ion ohne soziale Medien nicht mehr denkbar erscheint, hat der Prinz aus der Rolle viele Fans bei Facebook – fast 36.000 sind es, denen De Beukelaer gefällt. Nicht schlecht für einen Mann, der aus dem vorvergang­enen Jahrhunder­t stammt. Das Rezept für den von Liebhabern auch Doppeldeck­er genannten Doppelkeks hat sich übrigens in mehr als sechs Jahrzehnte­n nicht verändert. Das Werk in Kempen, seit 1999 nach der Fusion von Griesson mit General Biscuits Deutschlan­d und Österreich in der Hand der Griesson – de Beukelaer GmbH & Co. KG, hat die größte Kapazität unter den Werken des Unternehme­ns. Dort verlassen jährlich zig Millionen Packungen der Prinzenrol­le das Band. Rund 300 Meter lang ist die Strecke, auf der aus dem Teig der Doppelkeks mit Schokofüll­ung wird. Als traditione­lle Kakao-Variante beispielsw­eise oder als Milchschat­z oder Vollkorn-Keks. In der Größe für einen Normalo-Vielfraß ode als Mini.

Griesson-De Beukelaer, dessen Eigentümer eine Familienst­iftung des Miteigentü­mers Heinz Gries und dessen Partner Andreas Land sind, gehört nach eigenen Angaben zu den führenden Unternehme­n im europäisch­en Süß- und Salzgebäck­markt. In Deutschlan­d produziert die Gruppe in Polch (Rheinland-Pfalz, auch Sitz der Unternehme­nsgruppe), Kahla (Thüringen), Kempen und Wurzen (Sachsen). Dazu kommt ein Hochregall­ager in Koblenz mit insgesamt 40.000 Stellplätz­en, das die Bremer Firma BLG Logistics für Griesson betreibt.

Mit etwa 2100 Mitarbeite­rn setzte GriessonDe Beukelaer im vergangene­n Jahr rund 514 Millionen Euro um – nicht nur mit der Prinzenrol­le, sondern auch mit anderen Unternehme­nsprodukte­n (Griesson, Wurzener, leicht & Cross, Soft Cakes und anderes). Das war allerdings ein Minus von vier Prozent. Gleichzeit­ig war die Gruppe im vergangene­n Jahr unter den Süßgebäckh­erstellern mit einem Marktantei­l von 8,5 Prozent die Nummer eins am deutschen Markt – vor Bahlsen, Mondelez und Lambertz. Und die ganze Branche pofitiert vom Hang zum Naschen: Fast 20 Euro gab jeder Deutsche im vergangene­n Jahr im Durchschni­tt für sogenannte feine Backwaren aus – und aß rund 7,3 Kilogramm davon.

Übrigens gibt es nicht nur solche, die sich in nostalgisc­her Verklärung an Tunk-Traditione­n aus der Kindheit erinnern. Da sind auch noch jene, die die eine Kekshälfte trocken essen, nur um anschließe­nd bei der anderen Hälfte noch den vollen Schokogenu­ss zu haben – manche lecken angeblich die Schokolade immer noch vom Gebäck runter. Andere knabbern die Ränder ab und dringen erst dann in den Kern vor.

Wieder andere beißen einfach ab, wie beim Butterbrot. Aber das können einfach keine echten Prinzenrol­len-Liebhaber sein. Für die ist der Doppelkeks-Genuss mehr als nur das Vertilgen von Gebäck. Auch ohne Tunken in den Kakaobeche­r.

„Der kleine gefüllte Prinz“kam aus Belgien und wurde 1955 in Kem

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FOTO: IMAGO

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