Rheinische Post Duisburg

Von der Nachteule zum Tagmensche­n

- VON PETRA ALBERS

Ein Jahr nach seinem Rückzug ist Jürgen Domian froh über sein neues Leben. Nun schmiedet er Pläne für eine TV-Talkshow.

KÖLN (dpa) Früher führte Jürgen Domian ein seltsames Leben: Er schlief, wenn andere wach waren, und er war munter, wenn die meisten Menschen in den Federn lagen. Dann setzte er sich die großen Kopfhörer auf, schaute in die Fernsehkam­era und wartete auf Anrufe.

Nacht für Nacht war der Moderator mit seiner Sendung „Domian“eine Art öffentlich­es Sorgentele­fon und dabei für viele Menschen ein Anker in der Not. Jetzt, ein Jahr nach seiner letzten Sendung, kann man Jürgen Domian durchaus zu normalen Tageszeite­n in Köln auf der Straße treffen. „Ich bereue es nicht, dass ich aufgehört habe, und bin da mit mir im Reinen“, sagt der Journalist, der am 21. Dezember 60 Jahre alt wird.

„Das Talken fehlt mir, aber nicht die Nacht.“21 Jahre Nachtarbei­t, die hätten an ihm gezehrt und Auswirkung­en auf seine Gesundheit gehabt. Ein paar Tage nach der letzten Talk-Sendung, die in der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 2016 lief, sei er krank geworden. „Ich musste mehrere Wochen im Krankenhau­s verbringen. Die ganze Anspannung war abgefallen, der Akku war einfach leer.“Inzwischen gehe es ihm jedoch wieder gut, bekräftigt der ehemalige Radio-Talker.

An seinen neuen Tagesrhyth­mus habe er sich inzwischen gewöhnt. „Ich genieße es immer noch, morgens gegen acht Uhr aufzustehe­n und beim Bäcker Brötchen zu holen. Abends kann ich mich jetzt auch mal entspannt mit Freunden treffen – das ging ja jahrelang gar nicht.“In den vergangene­n Monaten habe er begonnen, einige soziale Kontakte wieder aufzufrisc­hen, die im Laufe der Zeit eingeschla­fen waren.

Mit insgesamt rund 25.000 Anrufern hat Domian in seiner Sendung gesprochen, die live im WDR Fernsehen und beim Radiosende­r 1Live übertragen wurde. Ob Liebe, Krankheit, Tod, Verbrechen, skurrile Sexpraktik­en oder allerhand verrückte Erlebnisse: Kein Thema war in seiner Show tabu, jedem hörte er geduldig zu und gab Ratschläge. Tau- sende Menschen versuchten jede Nacht zwischen ein und zwei Uhr per Telefon zu Domian durchzudri­ngen, um ihm – in aller Öffentlich­keit – ihr Herz auszuschüt­ten.

An einige besonders intensive Unterhaltu­ngen denke er manchmal noch zurück, sagt Domian. „Manche Gespräche mit Menschen, die ein sehr schweres Schicksal hatten, werde ich wohl nicht vergessen. Wahrschein­lich auch, weil ich da besonders gefordert war – etwa, wenn ein Schwerkran­ker anrief, der sagte, dass er nur noch ein paar Tage zu leben habe.“Anrufer aus seiner Sendung seien es auch gewesen, die ihn zu seinem aktuellen Buch inspiriert hätten, mit dem er zurzeit auf Lesetour ist. In „Dämonen“geht es um das Thema Suizid. In der Stille Lapplands – Domians bevorzugte­m Urlaubszie­l – fragt sich der Protagonis­t Hansen: „Muss man leben, nur weil man lebt?“

Das große Thema Tod treibt Domian nach eigenen Angaben schon seit seiner Kindheit um, immer wieder habe er sich damit beschäftig­t. Sein vorheriges Buch „Interview mit dem Tod“wurde ein Bestseller. Außer am Bücherschr­eiben arbeitet Jürgen Domian derzeit an einem Konzept für eine neue TV-Talkshow, allerdings nicht mit prominente­n Menschen. „Eine Talkshow mit unbekannte­n Menschen – das ist mein Ding“, meinte er. Es gebe aber noch nichts Spruchreif­es. Eines jedoch sei schon sicher: „Ich talke nicht mehr in der Nacht.“

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FOTO: DPA Jürgen Domian bereut seine Entscheidu­ng, seine Talksendun­g aufzugeben, auch ein Jahr danach nicht. Derzeit schmiedet er Pläne für ein TV-Comeback.

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