Rheinische Post Duisburg

„Faire Löhne für die Pflege muss es überall geben“

- KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister will, dass die Krankenkas­sen künftig vollständi­g die Tariferhöh­ungen für Pflegekräf­te tragen.

BERLIN Wir treffen Hermann Gröhe (56) in seinem Büro im Ministeriu­m in Berlin. Er ist zuversicht­lich, dass Deutschlan­d bald wieder eine stabile Regierung hat. Herr Gröhe, gehört die Pflege zu den Themen, über die Sie sich mit der SPD im Fall einer Neuauflage der großen Koalition schnell einigen könnten? GRÖHE Wir haben die Leistungen für Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n mit mehr als fünf Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr spürbar verbessert. Diese Arbeit muss jetzt mit Blick auf die Fachkräfte­sicherung und besseren Arbeitsbed­ingungen für Pflegekräf­te entschloss­en fortgesetz­t werden. Bei den Sondierung­sgespräche­n mit Grünen und FDP haben wir dazu große Gemeinsamk­eiten erzielt, das erwarte ich auch von den Gesprächen mit der SPD. Eine starke Pflege ist für alle von herausrage­nder Bedeutung. Wie muss der Fachkräfte­mangel in der Pflege bekämpft werden? GRÖHE Wir brauchen ein Bündel an Maßnahmen: Dazu gehört, die Ausund Weiterbild­ung weiter zu stärken, dafür zu sorgen, dass Pflegekräf­te durch gute Arbeitsbed­ingungen lange in ihrem Beruf bleiben und auch Vollzeit arbeiten wollen. Außerdem muss die Bezahlung weiter verbessert werden. Wie will die Regierung die Bezahlung der Pflegekräf­te verbessern? GRÖHE Wir haben die Pflegekass­en und Sozialhilf­eträger gesetzlich verpflicht­et, die Zahlung von Tariflöhne­n in der Altenpfleg­e als wirtschaft­lich anzuerkenn­en und damit voll zu übernehmen. Jetzt sind die Pflegeeinr­ichtungen am Zug! Faire Löhne, für diejenigen, die in der Pflege täglich Enormes leisten, kann es – und muss es auch – überall in Deutschlan­d geben. Und das muss künftig auch für den Krankenhau­s- bereich gelten. Bisher werden die Tarifsteig­erungen dort nur teilweise von den Kostenträg­ern getragen. Die Union tritt dafür ein, dass Tariferhöh­ungen für Pflegekräf­te im Krankenhau­s künftig vollständi­g von den Krankenkas­sen getragen werden. Denn wenn Kliniken Lohnerhöhu­ngen für Pflegekräf­te durch Personalab­bau an anderer Stelle finanziere­n und damit die Arbeitsbed­ingungen der Pflegekräf­te verschlech­tern, hilft das niemandem. Pflegekräf­te beklagen, dass sie nicht genug Zeit haben, die Menschen angemessen zu versorgen. GRÖHE Deshalb ist es so wichtig, die Personalau­sstattung in Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en noch stärker in den Blick zu nehmen. Und deshalb unterstütz­en wir etwa auch beim Bürokratie­abbau in Pflegeeinr­ichtungen, damit mehr Zeit für die Pflege bleibt. Die gute Nachricht ist: Durch die Pflegerefo­rm wurden die Leistungen für Pflegegeld und Pflegesach­leistungen in der häuslichen Altenpfleg­e um mehr als ein Drittel erhöht. Und auch in den Pflegeheim­en steht deutlich mehr Geld für die Unterstütz­ung von Pflegebedü­rftigen zur Verfügung. Das kommt bei den Pflegebedü­rftigen auch mit mehr zeitlicher Zuwendung an. Die bisherigen Möglichkei­ten zur Vereinbark­eit von Pflege und Beruf werden kaum angenommen. Müssen sie praktikabl­er gestaltet werden? GRÖHE Damit pflegende Angehörige die Möglichkei­ten zur Vereinbaru­ng von Pflege und Beruf besser nutzen können, haben wir die Hilfe durch Pflegedien­ste spürbar ausgebaut und zum Beispiel auch die Absicherun­g von Pflegenden im Alter verbessert. Dadurch konnten die Rentenbeit­räge, die für pflegende Angehörige aus der Pflegevers­icherung bezahlt werden, bereits in den ersten drei Quartalen 2017 um 45 Prozent erhöht werden – allein das sind etwa 330 Millionen Euro mehr. In der vorigen Wahlperiod­e ist der Beitragssa­tz zur Pflegevers­icherung um 0,5 Prozentpun­kte gestiegen. Wann kommt die nächste Erhöhung? GRÖHE Wir haben 2016 gesagt, dass die Leistungsv­erbesserun­gen in der Pflege mit der damit verbundene­n Beitragssa­tzerhöhung bis 2022 si- cher finanziert sind. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die SPD fordert auch eine Wiedereinf­ührung der paritätisc­hen Finanzieru­ng des Krankenkas­senbeitrag­s von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern. Wie beweglich ist die Union in dieser Frage? GRÖHE Natürlich werden wir dafür sorgen, dass die Versichert­en nicht überforder­t werden. Eine Politik, die Arbeitsplä­tze gefährdet, führt aber zu geringeren Einnahmen der Krankenkas­sen und damit zu höheren Beiträgen für alle Versichert­en. Jetzt liegt die Milliarden­belastung bei den Arbeitnehm­ern. GRÖHE Ich verstehe die Sorge, dass medizinisc­her Fortschrit­t nicht un- GRÖHE Es kommt doch darauf an, worüber wir reden. Keine neuen Schulden? Ja, weiter so! Keine Steuererhö­hungen? Ja, weiter so! Aber wir brauchen auch neue Ideen, etwa beim beherzten Vorantreib­en der Digitalisi­erung. Wagen Sie eine Prognose, ob das mit der großen Koalition noch einmal klappt und wann die neue Regierung stehen könnte, oder sind Sie skeptisch und rechnen mit einer Neuwahl? GRÖHE Auch wenn eine große Koalition kein Dauerzusta­nd sein sollte, haben die großen Parteien eine besondere Verantwort­ung für das Land – jetzt geht es darum, dieser Verantwort­ung gerecht zu werden. Wir brauchen eine stabile Regierung. Ich bin zuversicht­lich, dass sich diese Erkenntnis durchsetzt.

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