Rheinische Post Duisburg

Gabriel erhält Unterstütz­ung bei seiner SPD-Kritik

- VON JAN DREBES

Er ist Vizekanzle­r und Außenminis­ter, Parteiämte­r hat Sigmar Gabriel nicht mehr inne. Dennoch treibt er die Genossen vor sich her.

BERLIN Eigentlich wollte sich die SPD in der Opposition erneuern. Sie wollte die Bundesregi­erung vor sich hertreiben, harte Gegenwehr leisten, sich selbst finden und ihre Vergangenh­eit aufarbeite­n. Doch bald stecken die Sozialdemo­kraten wieder bis zum Hals in Koalitions­sondierung­en. Die staatspoli­tische Verantwort­ung ruft, erst das Land, dann die Partei. Das hat schon Übervater Willy Brandt vorgegeben.

Allerdings ist das ein schwierige­s Unterfange­n. Schließlic­h hat sich mit dem Scheitern der JamaikaSon­dierungen die Frage ja nicht aufgelöst, warum die SPD sämtliche Bundestags­wahlen nach 2002 verloren hat und es seitdem selbst in Umfragen kaum vermochte, an der Union vorbeizuzi­ehen.

Um Antworten darauf, so scheint es, macht sich derzeit vor allem Noch-Vizekanzle­r und Außenminis­ter Sigmar Gabriel öffentlich Gedanken. Sein Gastbeitra­g für den „Spiegel“war gefüllt mit Koordinate­n für den künftigen Kurs und Aufforderu­ngen an diejenigen, die nun die Geschicke der Partei lenken. Gabriel selbst gehört nicht mehr dazu. Der Ex-Vorsitzend­e hat keine Parteiämte­r mehr inne und ist auch nicht Teil des zwölfköpfi­gen Sondierung­steams geworden, das ab Januar mit der Union verhandelt. Jetzt stehen Martin Schulz und Andrea Nahles als Vorsitzend­e von Partei und Fraktion im Machtzentr­um. Und weder der eine noch die andere fanden den Gabriel’schen Duktus – gelinde gesagt – sonderlich hilfreich. Ohnehin gilt die viel zitierte und zuletzt wenig gelebte Freundscha­ft zwischen Gabriel und Schulz als stark belastet.

Dabei wirft Gabriel Fragen auf, die durchaus relevant sind, wenn Schulz und Co. nach Positionen in den Sondierung­en suchen. Schließlic­h muss die SPD schon dabei Themen setzen, die eine Erneuerung tragen. Seine Kritik, dass man abgerückt sei vom Kern sozialdemo­krati- scher Politik, drückte er etwa in der Forderung aus, auch über Begriffe wie Heimat und Leitkultur zu sprechen. Oder in diesem viel kritisiert­en Satz: „Umwelt- und Klimaschut­z waren uns manchmal wichtiger als der Erhalt unserer Industriea­rbeitsplät­ze.“Ausgerechn­et er, der frühere Bundesumwe­lt- und frühere Wirtschaft­sminister, sagt so etwas? Anderersei­ts: Keiner könnte es besser wissen.

Und so bekommt Gabriel dieser Tage auch Unterstütz­ung, etwa vom früheren Bundestags­präsidente­n Wolfgang Thierse (SPD). Dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d sagte er, Gabriel habe Recht. Auch Johannes Kahrs, Chef des konservati­ven Seeheimer Kreises in der SPD, hält zum Ex-Vorsitzend­en. „Sigmar Gabriel hat lediglich sozialdemo­kratische Selbstvers­tändlichke­iten aufgeschri­eben“, sagte Kahrs unserer Redaktion. Er fügte hinzu, die SPD sei derzeit „übernervös“. Es brauche jetzt gemeinsame Anstrengun­gen, um erfolgreic­h zu sein.

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