Rheinische Post Duisburg

Strafen für Schüler sollen auf dem Fuße folgen

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Was für Schlingel“, schrieb mein Vater damals ins Tagebuch. Er hatte von unserem Schülerulk auf Kosten zweier Lehrer erfahren. Dem einen hatten wir heimlich ein vom nahen Sportplatz stammendes Fußballtor vor die Haustür gestellt. Dem anderem hatten wir nachts dutzendwei­se kleine Aufkleber mit allerlei frechen Sprüchen auf die Glasbauste­ine seines Bungalows geklebt. Die Pädagogen waren nicht entzückt, aber humorlos auch nicht, „Feuerzange­nbowle“-Typen eben. Das Fußballtor mussten wir Ertappten – jemand hatte uns verpfiffen – wieder dorthin schleppen, wo es hingehörte, und eine große reumütige Entschuldi­gung beim kurzfristi­g ausgesperr­ten Oberstudie­ndirektor war Pflicht.

Der andere Lehrer war nachts wach geworden und hatte uns auf frischer Tat entdeckt. Als FDP-Ratsherr war er zwar liberal, aber nicht blöd. Er überließ uns grinsend ein

Streiche gehören zum Schulallta­g. Doch „Feuerzange­nbowle“-Romantik wird mancherort­s von Verachtung und Aggressivi­tät gegen Lehrer verdrängt.

paar Eimer mit heißem Wasser und dazu eine Bürste: „Das ist bis morgen sauber, damit das klar ist.“Die Sanktionsi­dee war konsequent und kostete uns stundenlan­ges Schrubben der beklebten Glasbauste­ine bis zum Morgengrau­en.

Warum erzähle ich die alte Geschichte? Weil ich vor wenigen Tagen entgeister­t diese Überschrif­t über einen außer Kontrolle geratenen Schulallta­g im Saarland gelesen habe: „Schüler terrorisie­ren Lehrer an Gemeinscha­ftsschule.“Frauenvera­chtende Beleidigun­gen, die man hier nicht zitieren mag, Körperverl­etzungen und andere Aggression­en gegen Erzieher, die längst das Erziehen aufgegeben haben, sind an einer Saarbrücke­r Brennpunkt­Schule alltäglich. Sanktionen? Fehlanzeig­e. Im Gegenteil: Die Lehrerscha­ft hat Angst vor ihren Schülern, die Drohungen ausstoßen und Lernen wohl als Zumutung empfinden. Die Lehrer schrieben dramatisch klingende Briefe an die politische Führung in Saarbrücke­n. Es gibt seither vier zusätzlich­e Lehrkräfte, mehr Sprachförd­erung und einen Aufnahmest­opp für Flüchtling­skinder. Laut Deutschem Lehrerverb­and haben Hunderte von insgesamt 40.000 Schulen im Land ähnlich massive Probleme wie die erwähnte Chaosansta­lt.

Man hört gebetsmühl­enartig, unsere Schulen seien „verrottet“, als regne es durch Dächer und ziehe es durch Fenster und als gehöre endlich Mobiliar vom letzten Schrei in die Klassenzim­mer, auf dass die lieben Kleinen es hübsch und kommod haben. Sollte nicht gründliche­r darüber nachgedach­t werden, wie die geistige Verrottung bekämpft werden kann und wie endlich an den Schulen wieder die Strafe jeder Untat auf dem Fuße folgt?

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