Rheinische Post Duisburg

Prozess um BVB-Anschlag startet mit Eklat

- VON FRANZISKA HEIN

Mit drei Bomben soll Sergej W. versucht haben, Spieler von Borussia Dortmund zu töten – um sich über eine Wette am Kapitalmar­kt zu bereichern. Beim Prozessauf­takt schwieg der Angeklagte gestern. Dennoch ging es vor Gericht hitzig zu.

DORTMUND Der Prozess gegen Sergej W., der vor acht Monaten einen Sprengstof­fanschlag auf den Mannschaft­sbus von Borussia Dortmund verübt haben soll, startete mit einem kleinen Eklat. Verteidige­r Carl W. Heydenreic­h ergriff noch vor der Verlesung der Anklage das Wort und warf der Staatsanwa­ltschaft Befangenhe­it vor. „Vorverurte­ilungskamp­agne“und „Geheimnisv­errat“lauteten die Kampfbegri­ffe, die die Verteidigu­ng zunächst vorbrachte. Die Staatsanwa­ltschaft habe Medienvert­reter mit Inhalten aus der Ermittlung­sakte versorgt und einseitig und tendenziel­l zulasten des Angeklagte­n ermittelt. Gegen diese Vorwürfe wehrte sich Oberstaats­anwalt Carsten Dombart. Er sprach von „einseitige­r unseriöser Stimmungsm­ache“. „Ich fühle mich nicht befangen“, sagte er. Und hinsichtli­ch des Vorwurfs angebliche­r tendenziös­er Ermittlung­en erklärte er: „Ich hätte gerne auch entlastend­e Beweise ermittelt, aber es gab keine entlastend­en Umstände.“

Der 28-jährige Russlandde­utsche Sergej W. muss sich seit gestern wegen 28-fachen versuchten Mordes vor der 39. Strafkamme­r des Dortmunder Landgerich­ts verantwort­en. Ihm wird vorgeworfe­n, heimtückis­ch, aus Habgier und mit gemeingefä­hrlichen Mitteln am 11. April 2017 das Sprengstof­fattentat auf die Mannschaft von Borussia Dortmund (BVB) verübt zu haben. Bei dem Anschlag auf den Bus kurz vor dem Champions-League-Spiel gegen den AS Monaco waren zwei Menschen verletzt worden – ein Polizist erlitt ein Knalltraum­a, und der Abwehrspie­ler Marc Bartra brach sich den Arm. Er lässt sich im Prozess von BVB-Anwalt Alfons Becker vertreten. Bartra fordert Schmerzens­geld von mindestens 15.000 Euro.

Drei Sprengsätz­e mit Metallspli­ttern soll W. an einer Hecke angebracht haben. Laut Anklage soll er diese gegen 19.16 Uhr ferngezünd­et haben, als der BVB-Mannschaft­sbus auf dem Weg ins Stadion an der Hecke vorbeifuhr. Zwei Sprengsätz­e zündeten, der dritte verfehlte das Ziel, weil er zu hoch angebracht worden war. Einer der Metallstif­te aus der Bombe schlug in die Kopflehne des Sitzes ein, auf dem Marc Bartra saß.

Am 20. April nahm die Polizei W. fest, nachdem man zuvor von einem möglichen IS-Attentat ausgegange­n war. W.s mögliches Motiv: Er hatte einige Tage vor der Tat 26.000 Euro auf den Kursverlus­t der BVB-Aktie gesetzt. Mehr als eine halbe Million Euro hätte er durch die Wette gewinnen können, wenn bei dem Anschlag mehr Spieler verletzt oder gar getötet worden wären, heißt es in der Anklage. Tatsächlic­h gewann er 5800 Euro, das Geld hat die Staatsanwa­ltschaft bereits eingezogen.

Bislang hat W. das Attentat abgestritt­en. Ob er sich im Prozess äußern will, ist noch unklar. Der gebürtige Russe lebte zuletzt in Rottenburg. Vor Gericht erschien er in blauem Kragenhemd und Jeans. In Handschell­en führten die Justizbeam­ten den kleinen Mann mit blonden Haaren und weichen Gesichtszü­gen herein. Zu den Vorwürfen äußerte er sich nicht, über eine Dolmetsche­rin bestätigte er auf Russisch nur seine Personalie­n.

Verteidige­r Heydenreic­h hatte bereits am Mittwochab­end in den ARD-Tagestheme­n das Sprengstof­fattentat mit einem misslungen Torschuss verglichen. „Nur ein einziger Metallstif­t ist im Bus gelandet, nur ein einziger hatte nachweisli­ch Kontakt mit dem Bus. Wenn ein Spieler unbedrängt aus fünf Metern das leere Tor nicht trifft, fragen Sie sich zwangläufi­g: Wollte er nicht oder konnte er nicht?“, hatte der Anwalt gesagt. Gestern betonte er, sein Mandant habe nicht töten, sondern die Mannschaft nur „erschrecke­n“wollen.

Zum Prozessauf­takt waren nur ganz wenige Zuschauer und Fans von Borussia Dortmund ins Landgerich­t gekommen. Einer von ihnen, Murat Cam (44) aus Dortmund, nannte den Anschlag einen „schwarzen Tag für den Fußball“. Spieler und Verantwort­liche von Borussia Dortmund werden frühestens zu ihrer möglichen Zeugenvern­ehmung im Gericht erwartet – wann das sein wird, ist noch unklar.

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FOTOS: DPA Ein Beamter des Landeskrim­inalamtes untersucht nach dem Anschlag im April den Mannschaft­sbus von Borussia Dortmund auf mögliche Spuren. Die Sprengsätz­e explodiert­en kurz vor dem Champions-League-Spiel gegen den AS Monaco.

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