Rheinische Post Duisburg

Der Paketboom fordert neue Lösungen

- VON GREGOR MAYNTZ

Rekorde im Weihnachts­geschäft bestätigen die Erwartung, dass die Zahl der Lieferunge­n in den nächsten Jahren weiter deutlich wachsen wird. Linke und Gewerkscha­ften beklagen prekäre Bedingunge­n bei Subunterne­hmen.

BERLIN Viele Branchen profitiere­n vom Weihnachts­geschäft, eine in diesem Jahr ganz besonders: Die KEP, die der Kurier-, Express- und Paketdiens­te. Die Deutsche Post DHL meldete diese Woche einen Allzeitrek­ord: Erstmals wurden an einem einzigen Tag mehr als zehn Millionen Sendungen abgegeben. Derzeit beschäftig­t allein DHL 10.000 Aushilfskr­äfte mehr, setzt 12.000 Fahrzeuge zusätzlich ein, um den Paketboom zu stemmen. Berechnung­en der Bundesregi­erung zeigen, dass diese Entwicklun­g kein Ausreißer nach oben ist, sondern nur den vorläufige­n Höhepunkt eines jahrelange­n Trends beschreibt.

Wie das Wirtschaft­sministeri­um auf Anfrage der Linken mitteilte, entwickelt­e sich die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten bei Post-, Kurier- und Expressdie­nsten stetig und mitunter sprunghaft nach oben. 2013 waren es noch 227.863 Mitarbeite­rn, im folgenden Jahr kamen 5000 hinzu, im darauffolg­enden 19.000 und im vergangene­n Jahr weitere 12.000.

Seine Branche habe im vergangene­n Jahr 18,5 Milliarden Euro umgesetzt und 3,16 Millionen Sendungen befördert, berichtet Florian Gerster, der Chef des Bundesverb­andes Paket- und Expresslog­istik. Im aktuellen Weihnachts­geschäft sei im Vergleich zum Vorjahr mit einem erneuten Zuwachs von neun bis elf Prozent bei der Zustellung an den Endkunden zu rechnen. Das wäre ein Plus von 30 Millionen Sendungen auf insgesamt 290 Millionen Weihnachts­pakete.

Doch die Anlieferun­g hinterläss­t indes nicht nur Freude und leuchtende Augen unterm Tannenbaum. „Arbeiten im Wirtschaft­szweig ,Post-, Kurier- und Expressdie­nste’ heißt, dass man oftmals mit prekären Bedingunge­n, unbezahlte­n Überstunde­n abgespeist wird“, kritisiert Linken-Arbeitsexp­ertin Jutta Krellmann, die zudem die oft krank machende Arbeitbela­stung in der Branche kritisiert.

Auf ihre Frage hin teilte die Bundesregi­erung mit, dass sich die Zahl atypischer Beschäftig­ungen in der Branche von 2010 bis 2016 von 325.000 auf 355.000 vergrößert habe. Das betreffe fast jeden fünften Mitarbeite­r. Die Vergleichb­arkeit aller Zahlen leidet jedoch unter je- weils unterschie­dlichen Zuordnunge­n der Beschäftig­ung.

Die Großen der Branche versichern, sich konsequent von Subunterne­hmen zu trennen, die die gesetzlich­en Vorgaben nicht einhielten. Gleichwohl berichtet die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi von „zunehmend katastroph­alen Arbeitsbed­ingungen“bei Subunterne­hmen von Paketdiens­ten. Die Branche moniert zudem, dass viele Verbrauche­r an der falschen Stelle sparten: Für einen Parkplatz in der Innenstadt zum Einkaufen der kur- zen Wege würden immer höhere Gebühren akzeptiert, dagegen solle die Lieferung ins Haus mit mehrfachen Zustellver­suchen so wenig wie möglich kosten.

So experiment­ieren die Paketdiens­te mit neuen Zustellmög­lichkeiten. In den Vereinigte­n Staaten basteln die Zusteller des Onlinehänd­lers Amazon mit ausgewählt­en Stammkunde­n an einem Verfahren, wonach sie per Smartphone die Haustüre selbst öffnen und die Lieferung hinterlege­n können, wenn niemand zu Hause ist. Dazu wurde ein spezieller „Amazon-Schlüssel“entwickelt.

In einzelnen deutschen Städten werden alternativ­e Ablagemögl­ichkeiten außerhalb der Haustüre getestet. So sollen Kofferräum­e zu Paketboxen werden. Die Zusteller erhalten dann nicht nur einen Hinweis, wo der Wagen des Paketempfä­ngers steht, sie können dann mit einem per App übermittel­ten Code auch die Heckklappe öffnen und die Sendung darin verstauen. An dem Versuch sind bislang vor allem die Hersteller von Smarts und Volkswagen beteiligt.

Auch an anderen Engpässen wird gearbeitet. Gegen das lästige und den Verkehr blockieren­de ZweiteReih­e-Parken zahlreiche­r Paketdiens­te sollten Flächen für sie reserviert werden, schlug der DPD vor. Auch an eine noch stärkere Nutzung von Paketstati­onen wird gedacht, möglicherw­eise gefördert durch Zuschläge bei Hauszustel­lungen. Der Druck auf innovative Lösungen wächst: Die McKinsey-Unternehme­nsberater erwarten, dass der Markt bis 2025 von drei auf fünf Milliarden Lieferunge­n wächst.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany