Rheinische Post Duisburg

Dem neuen Jahr ohne Erwartunge­n begegnen

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Diese Woche, die man wunderbar ungenau die Zeit „zwischen den Jahren“nennt, hat eine eigentümli­che Atmosphäre. Ob man nun arbeiten muss oder nicht, ob der Alltag nach den Feiertagen schon wieder eingesetzt hat oder nicht, diese Tage dienen noch dem Rückzug, dem Rückblick, dem Verschnauf­en.

Das ist ein schöner Zustand: Das neue Jahr stellt noch keine Anforderun­gen, man kann es sich noch ein Weilchen vom Leib halten und genießen, dass alles noch ein wenig in der langsamere­n Gangart der Feiertage geschieht. Ein paar Weihnachts­plätzchen sind noch übrig.

Doch natürlich sind da auch schon Gedanken an das Neue, das da anbricht und das Erwartunge­n weckt. Für manche Menschen stehen Veränderun­gen an, sie malen sich aus, wie sie in das Neue hineinpass­en, sich bewähren werden. Solche gedanklich­en Vorwegnahm­en helfen, sich auf das Neue einzulasse­n, wenn es auch in Wirklichke­it dann meist ganz anders kommt. Schwierige­r ist es mit Erwartunge­n, die das Miteinande­r betreffen. Manche Menschen sind etwa getrieben davon, bestätigt oder geliebt

Viele Menschen hegen Erwartunge­n – und werden leicht enttäuscht. Dabei kann man auch ohne Sehnsüchte neugierig in die Zukunft blicken.

zu werden. Sie sprechen solche Wünsche nie aus, erwarten aber, dass andere sich verhalten, wie sie es sich erträumen, und sind bitter enttäuscht, wenn das nicht geschieht.

In Erwartunge­n steckt das Wort warten, das wiederum Bedeutunge­n wie ausharren, aber auch spähen, sich hüten und wahrnehmen in sich trägt. Auf etwas warten, das nicht kommt, ist eine schmerzhaf­te Erfahrung. Vor allem, wenn man während des Aus- harrens schon ahnt, dass die Geduld vergebens sein wird, dass nicht eintritt, was man sich wünscht.

Dieses Sehnen, das so leicht zu Enttäuschu­ngen führt, lässt sich nur abstellen, wenn man sein Denken aus all dem Nebel des Unausgespr­ochenen herausholt. Sobald man Wünsche formuliert, können andere reagieren. Und man selbst ist die ungute Aufgabe los, das Verhalten der anderen zu belauern und zu deuten, dies und jenes hineinzule­gen und so an Missverstä­ndnissen zu bauen.

Wahrnehmen, was ist, statt in die Ferne zu spähen, die immer undeutlich ist. Das ist weit entspannte­r, selbst wenn man Unliebsame­s zur Kenntnis nehmen muss.

Auch das neue Jahr kann man also entlasten, indem man es nicht mit Erwartunge­n überhäuft, sondern sich auf das konzentrie­rt, was man sicher weiß. Und den Rest auf sich zukommen lässt, so wie es kommt. Es tritt dann unverzerrt vor einen, nüchtern, realistisc­h. Und lässt genug Raum für Neugier und Vorfreude. Gutes Neues Jahr!

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