Rheinische Post Duisburg

Weg vom Schrotthau­s, aber was dann?

- VON PETER KLUCKEN

Was wird aus den Mietern, bei denen die „Task-Force Problemimm­obilien“die Räumung verfügt hat. Pater Oliver, Leiter des Sozialpast­oralen Zentrums Petershof in Marxloh, initiiert Nachbarsch­aftstreffe­n und fordert wirkliche Lösungen.

Selbstvers­tändlich soll niemand in einem Haus leben müssen, das einstürzge­fährdet ist oder in dem sich ein Feuer rasend schnell ausbreiten kann. Unter diesem Gesichtspu­nkt begrüßt Pater Oliver Potschien die „Task-Force Problemimm­obilien“. Mittlerwei­le hat die Stadt über dieses Task-Force-Programm mehrere Häuser für unbewohnba­r erklärt und Räumungen verfügt. Anlass für die Zwangsräum­ungen sind meist erhebliche Mängel im Brandschut­z. So weit, so nachvollzi­ehbar. Was in den Augen von Pater Oliver und seinen 100 ehrenamtli­chen Mitstreite­rn im Sozialpast­oralen Zentrum Petershof in Marxloh nicht in Ordnung ist, ist die Tatsache, dass die von den Räumungen betroffene­n Mieter mit ihren Problemen weitgehend allein gelassen werden. Es sei nicht selten so, dass nach einer Räumung ganze Familien mit Sack und Pack auf der Straße stehen und nicht ein noch aus wissen. „Man nimmt den Menschen ihre Wohnung weg, ohne dass man ihnen eine Perspektiv­e auch nur andeutet“, sagt Pater Oliver.

Aus diesem Grund haben Pater Oliver und seine Mitarbeite­r eine Nachbarsch­aftsinitia­tive ins Leben gerufen, bei denen sich Menschen treffen, die in unterschie­dlicher Weise von Zwangsräum­ungen betroffen sind. Das sind ehemalige Mieter von „Schrotthäu­sern“, Mieter von Häusern, bei denen eine Räumung droht oder auch Nachbarn oder Verwandte, die obdachlos gewordene Mieter bei sich aufgenomme­n haben und deren Wohnungen wegen Überbelegu­ng nun ebenfalls zu Problemimm­obilien zu werden drohen.

Pater Oliver ist sich der verzwickte­n Lage durchaus bewusst. Viele Vermieter, darunter seien auch Deutsche, beuteten ihre Mieter hemmungslo­s aus, nutzten Gesetzeslü­cken aus und ignorierte­n schlichtwe­g alle Appelle, die Wohnungen sicherer und menschenwü­rdiger zu machen. Dass man diesen Vermietern auf die Finger schaut und sie gegebenenf­alls auch unter Druck setzt, findet Pater Oliver richtig. Was er aber beklagt, ist, dass die Not der Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, nicht ausreichen­d in den Blick genom- men wird. Was bislang fehle, sei eine Initiative, bei der das Spannungsf­eld von „Unverletzl­ichkeit der Wohnung“und „Brandgefah­r im Verzug“angegangen werde.

Bei den ersten beiden Treffen der neuen Nachbarsch­aftsinitia­tive sei es zunächst darum gegangen, sich die Nöte der betroffene­n Menschen anzuhören. Zugleich werde aber auch mit Hilfe von Dolmetsche­rn und Stadtteilp­aten Aufklärung­sarbeit geleistet. Da gehe es um Brandschut­zbestimmun­gen, Müllvermei-

Pater Oliver dung, unerlaubte­s Anzapfen von Stromleitu­ngen, Freimachen von Rettungswe­gen und anderen Sicherheit­smaßnahmen. Vieles könnten die Mieter selber tun; bei einigen Defiziten könne auch der Petershof helfen. Wichtig sei, dass die Menschen für das Thema sensibilis­iert werden und selber das leisten, was sie leisten können.

Pater Oliver gibt zu, dass er und sein Team die skrupellos­en Vermieter kaum erreichen können. Gleichwohl dürfe man sich nicht darauf beschränke­n, nur auf dem Rücken der Mieter auf die Vermieter Druck auszuüben. „Wenn man das macht, kommt man aus dem Teufelskre­is nicht raus; Menschen müssen ihre Wohnungen verlassen, verwahrlos­en und schaffen neue Probleme im Stadtteil.“

Pater Oliver hofft, dass die TaskForce Problemimm­obilien künftig stärker mit Initiative­n wie dem neuen Nachbarsch­aftstreff im Duisburger Norden, dem Petershof und seinem Netz von Helfern und Dolmetsche­rn zusammenar­beitet. Entscheide­nd sei, so das immer wieder vorgetrage­ne Credo des Paters, den Menschen eine Perspektiv­e zu bieten. Das alles habe nichts mit naivem Gutmensch-Denken zu tun, sondern mit der Forderung, eine intakte Stadtgesel­lschaft zu fördern. Dass er sich mit seinem Einsatz für Rumänen und Bulgaren im „Stadtteil mit besonderem Erneuerung­sbedarf“nicht nur Freunde macht, weiß Pater Tobias. „Als Ordensmann habe ich das besondere Privileg der Unabhängig­keit von Politik und Behörden; das ist aber auch eine Verpflicht­ung“, sagt er.

Pater Oliver bringt demnächst das Faltblatt „Petershofe­r Konsens“heraus, in dem das Anliegen und die Ziele dieses im September 2012 gegründete­n Sozialpast­oralen Zentrums beschriebe­n werden. Dort ist unter anderem die Rede von „ungesteuer­ten Umbruchbew­egungen und unangepack­ten sozialen Verwerfung­en im Duisburger Norden“. An einer Stelle heißt es: „Eine Einrichtun­g wie den Petershof dürfte es in einem der reichsten Länder dieser Welt nicht geben.“

„Man nimmt den Menschen ihre Wohnungen weg, ohne ihnen Perspektiv­en zu zeigen“

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Schrotthäu­ser wie dieses in Marxloh werden von der Stadt geräumt. Die ehemaligen Mieter fühlen sich oft alleingela­ssen.
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