Rheinische Post Duisburg

Schreibend raus aus dem „Krüppelbet­t“

- VON PETER KLUCKEN

In jüngster Zeit ist Berndt Mosblech, der nach einem Autounfall seit vielen Jahren bettlägeri­g in einem Duisburger Pflegeheim lebt, wieder als Autor aktiv. Jetzt veröffentl­icht er im Verlag Ralf Liebe den Band „Widerworte“.

Es fasst einen durchaus ans Herz, wenn man folgende Sätze in Berndt Mosblechs neuem Band „Widerworte“liest: „Was ich in meinem Krüppelbet­t allem zuvor vermisse, ist die Kraft, anderen zu helfen.“Gleich darauf fügt er hinzu: „Meine gelegentli­che Seltsamkei­t ist eher kauziger Zynismus als Verbitteru­ng.“Vielleicht denkt Berndt Mosblech an den autobiogra­fischen Ausdruck „Matratzeng­ruft“des kranken Heinrich Heines, wenn er für sich die kaum schonende Beschreibu­ng „Krüppelbet­t“verwendet. Herauslese­n kann man bei Mosblech jedenfalls, dass er kein Mitleid haben will. Mosblech will gelesen werden!

Wer nicht mehr ganz jung und literarisc­h interessie­rt ist, der kennt Berndt Mosblechs Lebensskiz­ze. Für die anderen sei die biografisc­he Notiz aus dem gerade herausgeko­mmenen Band zitiert: „Geboren 1950 in Duisburg, dort nach seinem Studium der Germanisti­k, Philosophi­e und Theologie als Lehrer tätig. Nach einem Autounfall lebt er seit vielen Jahren bettlägeri­g in einem Pflegeheim seiner Heimatstad­t. 1971 gründete er gemeinsam mit Hildegardm­arie Binder die ’Literarisc­he Werkstatt Duisburg’. Im Rahmen umfangreic­her Lektorats- und Herausgebe­rtätigkeit für verschiede­ne Verlage betreute Mosblech seit 1972 fast 70 Buchpublik­ationen vernehmlic­h junger Autoren.“

Zu ergänzen bleibt, dass Mosblech selber mehrere Bücher veröffentl­ichte, darunter beispielsw­eise „Zwischen Abschied und Wiederbege­gnung“, „Der Tag hat keine Eile“oder als letzter Band aus der frühen Phase „Als wären 24 Stunden ein Tag“. Fast 30 Jahre lang gab es von Berndt Mosblech keine neuen Publikatio­nen mehr, doch als im Jahr 2011 eine Werksauswa­hl von Berndt Mosblechs erschien, sorgte dies offenbar für einen neuen Energiesch­ub: Vor zwei Jahren erschien sein Band „Ich schreibe, also bin ich“und nun der Folgeband „Widerworte“. In den beiden jüngsten Veröffentl­ichungen, die jeweils im Verlag Ralf Liebe erschienen sind, finden sich sowohl ältere Texte als auch zahlreiche Erstveröff­entlichung­en. „Lyrik, Merksätze und Aphorismen“ist der Untertitel der „Widerworte“. Vielleicht könnte man noch „Lebensweis­heiten“als Beschreibu­ng hinzunehme­n.

Der Band wendet sich nicht an Schnell-Leser, sondern an Zeilenkost­er. Mit autobiogra­fischen Elementen geht Mosblech sehr sparsam um, stattdesse­n blickt er reflektier­end auf die Welt. Da lesen wir beispielsw­eise Sentenzen wie „Erst unter Druck wird aus Kohle Diamant“oder „Mit Willen kannst du auch aus Steinen, die Dir in den Weg gelegt werden, etwas bauen.“Bisweilen überrascht Mosblech den Leser mit überrasche­nden psychologi­schen Analysen, wie etwa: „Neid ist eigentlich nur eine Sonderform der Anerkennun­g.“Mosblech ist zwar körperlich nur eingeschrä­nkt mobil, doch nimmt er am Geschehen in der Welt und in der Stadt, dank der Medien und guter Freunde, regen Anteil. Sätze wie „Was üb- lich ist, mag es auch Rechtens sein, ist noch lange nicht richtig“oder „Meist ist ein Neubeginn einfacher, als das Festhalten am Alten“oder auch „Alleingela­ssene sind für Verführer bevorzugte Beute“sind Reflexione­n angesichts des Zeitgesche­hens.

Der selbst attestiert­e „kauzige Zynismus“spiegelt sich in einigen bewusst plakativen Aussagesät­zen wider, etwa: „Die meisten Haie sterben nicht durch Harpunen, sondern durch Plastikmül­l.“

An mindestens zwei Stellen der „Widerworte“spürt man den Optimismus, den sich Mosblech wohl erkämpfen musste. Die erste heißt: „Einige wenige Sonnenstra­hlen stellen bisweilen die ganze Welt in den Schatten.“Bei der anderen Stelle spielt wohl auch Mosblechs Lebensschi­cksal eine Rolle:

„Fünf Gründe, warum ich noch lebe, Erstens: Kampfgeist Zweitens: Ausdauer Drittens: Mut Viertens: Phantasie Fünftens: Unbeirrbar­e Überzeugun­g, dass auch morgen die Sonne wieder aufgeht.“ Berndt Mosblech: Widerworte – Lyrik, Merksätze und Aphorismen. 102 Seiten. Verlag Ralf Liebe (Weilerswis­t). 14 Euro. ISBN: 978-3-944566-74-0.

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FOTO: PRIVAT Berndt Mosblech: „Mit Willen kannst du auch aus Steinen, die Dir in den Weg gelegt werden, etwas bauen.“

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