Rheinische Post Duisburg

Die CSU will die SPD erst einhegen und dann umarmen

- VON GREGOR MAYNTZ

Weniger Geld für Asylbewerb­er, Altersprüf­ung für junge Flüchtling­e – die Christsozi­alen schärfen ihr Profil für die Sondierung­sgespräche.

SEEON Die ersten beiden Inszenieru­ngen haben schon mal nicht geklappt: Warum die FDP das aus CSU-Sicht wunderbar gelungene Jamaika-Verhandlun­gsergebnis platzen ließ, hat CSU-Chef Horst Seehofer bis heute nicht verstanden. Und die eigentlich geplante prachtvoll­e Schneekuli­sse rund um den Klausurort der Landesgrup­pe am Chiemsee ist im Dauerregen auch nur schäbig zu nennen.

Umso mehr beschwören Seehofer und sein neuer Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt zum Auftakt der Klausur in Kloster Seeon die Chancen einer neuen Koalition zwischen Union und SPD. Das Wort „groß“kommt beiden in diesem Zusammenha­ng nicht über die Lippen, im Gegenteil: Seehofer betont, dass alle drei Parteien ihr jeweils schlechtes­tes Ergebnis seit 1949 eingefahre­n haben und unbedingt das Signal eines „Zukunftspr­ojektes“aussenden müssten. Ein deutliches Nein zum „Weiter so“.

Doch der allererste Appell Dobrindts an die Adresse der potenziell­en Koalitions­partner von der SPD setzt ausgerechn­et darauf, den ausgesetzt­en Familienna­chzug für Flüchtling­e ohne dauerhafte Bleibepers­pektive so weiterlauf­en zu las- sen. Sechs Positionsp­apiere zur Klausur setzen auf Distanz zur SPD: Weniger Geld für Asylbewerb­er, Altersprüf­ung für junge Flüchtling­e, viel mehr Geld für die Verteidigu­ng – dazu haben führende Sozialdemo­kraten schon entschiede­n den Kopf geschüttel­t. Und zum ausgebrems­ten Familienna­chzug sowieso.

Aber Seehofer beschwicht­igt zum Auftakt der Klausur: Es habe nicht nur offizielle Vorgespräc­he, sondern auch viele bilaterale Kontakte im Vorfeld gegeben. Und da sei klargeword­en, dass die von Dobrindts Landesgrup­pe „verdichtet­en“Positionen der CSU von der anderen Seite richtig eingeordne­t würden. Das Regierungs­projekt könne gelingen, jedenfalls werde er „alles tun, damit diese Koalition zustandeko­mmt“, versichert der CSU-Chef.

Dobrindt nimmt derweil eine andere Rolle ein: Er versucht die SPD einzuhegen. Mit Sozialdemo­kraten wolle er regieren, wenn diese „Modernisie­rung, Sicherheit und Wachstum buchstabie­ren“könnten, nicht aber mit Ideen aus der „sozialisti­schen Mottenkist­e“. Dazu hat er ein Papier verfasst, in dem er der 68er-Bewegung nach 50 Jahren den Kampf ansagt und zu einer „bürgerlich-konservati­ven Wende“in Deutschlan­d aufruft. Die Zeiten des „sozialdemo­kratischen Etatis- mus und grünen Verbotismu­s“seien vorbei. Bürgerlich-konservati­ve Mehrheiten sieht er nicht nur in Deutschlan­d, sondern in vielen Ländern Europas.

Diese Mehrheiten will Dobrindt für die stets in Bayern nach absoluten Mehrheiten strebende CSU nun auch in Deutschlan­d mobilisier­en. Und diese hätten sich auch bei der jüngsten Bundestags­wahl schon gezeigt. Damit betritt Dobrindt sumpfiges Gelände. Denn bei einem Abzug der von ihm attackiert­en Linken, Grünen und Sozialdemo­kraten bleibt als „Mehrheit“nur ein Zusammenzä­hlen der Stimmen von CDU, CSU, FDP – und AfD.

Passenderw­eise gehört Ungarns rechtspopu­listischer Regierungs­chef Viktor Orbán zu den Stargästen der ersten CSU-Klausur unter Dobrindts Leitung. Und auch den Brexit, den Ausstieg der Briten aus der EU, vereinnahm­t die neue CSU-Landesgrup­pe für sich – als Warnung an SPD-Chef Martin Schulz und dessen Pläne einer noch intensiver­en EU-Integratio­n bis hin zu Vereinigte­n Staaten von Europa. Das seien genau die Pläne, die die Menschen aus der EU hinaustrie­ben, unterstrei­cht die CSU. Prompt ist der britische Wirtschaft­sminister Greg Clark der erste ausländisc­he Gast der Klausur.

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