Rheinische Post Duisburg

Wo zum Donnerwett­er ist der deutsche Macron?

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Heute vor 142 Jahren wurde in Köln ein großer Deutscher und Europäer geboren: Konrad Adenauer. Er war nicht nur der Bundeskanz­ler, der die Fundamente der Bundesrepu­blik Deutschlan­d gelegt, sondern der auch Brücken nach Europa, insbesonde­re nach Frankreich gebaut hat. Den Nachkriegs-Großmächte­n Sowjetunio­n und USA gegenüber blieb Adenauer skeptisch. Er hegte die Sorge, Moskau und Washington könnten sich in den entscheide­nden Fragen von Krieg und Frieden über die Köpfe Deutschlan­ds und Europas hinweg verständig­en.

Es war diese politische Urangst des bedeutende­n Alten vom Rhein, die ihn bei aller sonstigen Nüchternhe­it zu einem glühenden deutschen Europäer werden ließ. Es ist schwierig, zu ergründen, wie Adenauer heute das zwar gewachsene, aber

Europa spürt: Da geht etwas zu Ende in Berlin, und das Neue ist noch nicht in Sicht. Dabei hat der alte Kontinent seine große Chance.

nicht wirklich zusammenge­wachsene Europa beurteilen würde. Dass es geschaffen, oder wie er es ausdrückte: „jeschaffen“werden muss – daran ließ er keinen Zweifel.

Adenauers Nüchternhe­it und Kaltschnäu­zigkeit ließe ihn wohl diesen nur oberflächl­ich betrachtet absurden Satz eines führenden deutschen Intellektu­ellen als richtig begreifen: „Wahrschein­lich ist Donald Trump in dieser Hinsicht ein Glücksfall.“Wie bitte? Ist er nicht, im Gegenteil, einer der immer wiederkehr­enden Irrtümer der Geschichte, denen auch oder gerade große Nationen erliegen?

Nein, der Politikwis­senschaftl­er und Autor Herfried Münkler, der in der „Welt am Sonntag“Trump und Glücksfall in einen Satz gepackt hat, meint, dass diese uns Nicht-Amerikaner­n so kurios anmutende Präsidents­chaft für Europa ein histori- sches Fenster der Gelegenhei­t aufgestoße­n hat. Trump, so sagt es Münkler, zeige uns Europäern fast täglich, dass wir unsere Geschicke selbst in die Hand nehmen müssen. Kanzlerin Angela Merkel, in deren Büro ein Adenauer-Porträt hängt, hat sich vor Monaten bei einem Abstecher zur CSU nach Bayern ähnlich ausgedrück­t wie Münkler. Allein, es fehlt der Glaube, dass diese Kanzlerin in der Abenddämme­rung über genügend Kraft, Mitstreite­r und Gestaltung­swillen zum großen europäisch­en Wurf verfügt. Europa spürt: Da geht etwas zu Ende in Berlin, und das Neue ist noch nicht in Sicht. Aus Frankreich kommt das gegenteili­ge Signal: Hier beginnt etwas Neues. Wo, zum Donnerwett­er, ist der deutsche Emmanuel Macron?!

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