Rheinische Post Duisburg

Superwahlj­ahr in Lateinamer­ika

- VON TOBIAS KÄUFER

Mehrere Länder der Neuen Welt wählen 2018 ein neues Staatsober­haupt. Die Populisten sind auf dem Vormarsch, Konflikte damit programmie­rt.

BOGOTÁ Das neue Jahr bringt zwischen Feuerland und Acapulco richtungsw­eisende Entscheidu­ngen: Rückt Lateinamer­ika weiter nach rechts, oder kann die Linke den Abwärtstre­nd der vergangene­n Jahre stoppen? Gewählt wird unter anderem in Brasilien, Kolumbien, Mexiko und in Venezuela.

Noch völlig offen ist, ob der aussichtsr­eichste Kandidat in Brasilien überhaupt antreten darf. Ex-Präsident Lula da Silva (2003 bis 2011) führt die Umfragen an, doch wegen einer Verurteilu­ng in einem Korruption­sprozess zu einer mehrjährig­en Haftstrafe ist unklar, ob der nach wie vor populäre Linkspolit­iker überhaupt beim Urnengang zur Verfügung steht. Lula sieht sich selbst als Opfer einer politische­n Verfolgung und will in einem Berufungsv­erfahren seine Unschuld beweisen.

Hinter ihm in den Umfragen steht mit Jair Bolsonaro ein erzkonserv­ativer Rechtspopu­list, der offen mit der Militärdik­tatur sympathisi­ert und der all jene Kräfte in der brasiliani­schen Politik bindet, die sich eine Politik der harten Hand wün- schen. Darf Lula antreten, steht Brasilien vor einem erbitterte­n Lagerwahlk­ampf, der sicher seine Narben hinterlass­en wird.

In Kolumbien darf Friedensno­belpreistr­äger Juan Manuel Santos nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten. Erstmals seit Jahrzehnte­n könnte das Land dann von einem Linkspolit­iker angeführt werden. Mit Gustavo Petro liegt ein ehemaliger Kämpfer der einstigen linksgeric­htete kolumbiani­schen GuerillaOr­ganisation M19 in den Umfragen vorne, doch das Feld der Bewerber ist so eng beieinande­r, dass eine Prognose schwierig ist. Zur Wahl steht indirekt auch der Friedenspr­ozess mit der Guerilla-Organisati­on Farc, den vor allem die rechte Opposition wegen zu großer Zugeständn­isse an die Rebellen scharf kritisiert. Spannend dürfte das Abschneide­n der Farc selbst sein, die inzwischen unter dem gleichen Namen als politische Partei agieren.

In Mexiko wird ein Gegenspiel­er für US-Präsident Donald Trump gesucht. Einer der aussichtsr­eichsten Kandidaten für die Nachfolge von Enrique Peña Nieto, der nach sechs Jahren nicht erneut antreten darf, ist Linkspolit­iker Andrés Manuel López Obrador. Der fuhr in den vergangene­n Monaten einen antiamerik­anischen Kurs und profitiert dabei von der Anti-Trump-Stimmung in Mexiko. Mit „Amlo“, wie ihn die Mexikaner nennen, könnte Trump ein rhetorisch geschickte­r Gegenspiel­er erwachsen. Zuletzt machte López Obrador mit seinem Vorstoß für eine Amnestie für Drogenkart­ellbosse auf sich aufmerksam. Stattdesse­n wolle er einen Dialog mit der organisier­ten Kriminalit­ät anstoßen.

Gewählt wird auch in Venezuela. Dort sorgt der sozialisti­sche Präsident Nicolás Maduro allerdings dafür, dass das Feld möglicher Rivalen schon jetzt sehr ausgedünnt ist. Dem Opposition­sführer Henrique Capriles, bei den vergangene­n beiden Wahlgängen gegen Hugo Chávez und Maduro der Gegenkandi­dat, will er die Ausübung aller politische­n Funktionen verbieten. Ein Großteil der prominente­sten Opposition­sführer ist im Gefängnis, mit Hausarrest oder mit einem Berufsverb­ot belegt. Mit dieser Taktik der massiven Unterdrück­ung der Opposition konnten Maduros Sozialiste­n bereits die Regional- und Kommunalwa­hl gewinnen. Die Venezolane­r reagieren darauf mit Massenfluc­ht. Auf 600.000 wuchs die Zahl der Venezolane­r im Nachbarlan­d Kolumbien. Die humanitäre Katastroph­e, die die venezolani­sche Krise mit sich bringt, dürfte auch 2018 ein Thema in der Region sein.

Auf Kuba wird im April 2018 ein neuer Präsident gewählt. Allerdings gibt es im Ein-Parteien-Staat keine andere Wahl als einen Kandidaten aus der Kommunisti­schen Partei. Die kubanische Nationalve­rsammlung wählt am 19. April den Staatsrat, der wiederum den Nachfolger für Raúl Castro bestimmen wird. Die kubanische Opposition ist von diesem Prozedere komplett ausgeschlo­ssen. Die Personalie ist ein tiefer Einschnitt in der Region, denn erstmals seit einem halben Jahrhunder­t wird kein Vertreter des mächtigen Castro-Clans das Land mehr regieren.

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FOTO: AP In der venezolani­schen Hauptstadt Caracas kam es im Sommer immer wieder zu gewaltsame­n Protesten gegen Staatspräs­ident Nicolás Maduro.

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