CARSTEN MONTAG „ Jeder von uns kann etwas tun“
Carsten Montag ist neues Vorstands-Mitglied der Kindernothilfe. Der überzeugte Arbeiter für Kinderrechte bringt viel Auslandserfahrung mit.
BUCHHOLZ Der Anfang des Jahres markiert auch für Carsten Montag einen Neuanfang: Seitdem ist er Mitglied des Vorstands bei der Kindernothilfe. Die Redaktion hat mit ihm gesprochen über seine Arbeit, seine Reisen, und natürlich: über Kinder. Haben Sie Kinder? MONTAG Zwei, im Alter von sechs und acht Jahren. Das hat mich persönlich motiviert, mich für die Rechte von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Haben Sie ihnen erzählt, wo Sie jetzt arbeiten? MONTAG Das habe ich. Und dann musste ich nach dem ersten Tag hören, dass meine kleine Tochter glaubte, ich arbeite im Krankenhaus – in der Kindernothilfe . . . Ich habe den beiden dann erklärt, dass ich Kindern und Jugendlichen helfe, ihre Rechte wahrnehmen zu können. Dann kam die Frage: Ist das hier, in Deutschland? Oder wo? Und dann wollten sie sofort mitfahren auf die erste Dienstreise. Wohin führt die denn? MONTAG Das steht noch nicht fest. Von der Gründungsgeschichte her bietet sich Indien an. Oder Brasilien, Äthiopien, wo wir sehr aktiv sind. Oder auch Bangladesch, wo die Situation der geflüchteten Kinder und Familien sehr schwierig ist. Sie haben vorher beim Forum Ziviler Friedensdienst gearbeitet. Gab es dort schon Berührungspunkte mit der Kindernothilfe? MONTAG Beruflich kaum, höchstens über Verbände, in denen auch die Kindernothilfe mitwirkt. Aber private Verbindungen gibt es: Freunde, Bekannte sind hier in der Geschäftsstelle aktiv. Auch zu Duisburg gibt es eine Verbindung: Ich habe hier studiert, Grundstudium, bevor ich nach Köln gewechselt bin. Damals bin ich allerdings immer gependelt. Sie sind verantwortlich für die Programm- und Auslandsarbeit. Werden Sie öfter in Deutschland sein oder unterwegs? MONTAG Nach der ersten Zeit werden es so drei bis fünf Reisen im Jahr sein, also vielleicht ein, zwei Monate im Ausland pro Jahr. Am Anfang natürlich mehr. Ich habe ein großes Interesse daran, möglichst schnell unsere Partner kennenzulernen und wie sie vor Ort arbeiten. Berichte, Erzählungen sind gut, aber sie können nicht das eigene Erleben ersetzen. Ich will das selber sehen, will spüren, wie die Menschen vor Ort die Situation erleben. Sie sind auch verantwortlich für die Arbeit der Kindernothilfe für die Rohingya. Worum geht es dabei? MONTAG Wir sind in Bangladesch in den Flüchtlingslagern tätig, wohin mehr als 600 000 Rohingya geflohen sind. Die Situation vor Ort ist extrem schwierig und angespannt: Es herrscht Wasser- und Lebensmittelknappheit, eine schlechte humanitäre Situation. Wir arbeiten dort an der sanitären Versorgung, verteilen Hygieneartikel, sorgen für Brunnenbau und Impfungen für die Kinder, zum Beispiel gegen Diphtherie. Auch der Aufbau von Kinderschutzzentren gehört dazu. Das muss kein Haus sein, das kann auch ein Zelt sein: Ein Platz, wo die Kinder geschützt sind vor den Widrigkeiten des Lagerlebens. Uns muss beschäftigen: Wie können wir diese Nothilfe so leisten, dass sie nachhaltig wirken kann? Über unsere Partner vor Ort. Sie sind eng verbunden mit den Menschen vor Ort. Durch diese Verbundenheit wissen sie, was vor Ort am dringendsten benötigt wird und welche Maßnahmen wirksam sind. Welche anderen Projekte werden Sie beschäftigen? MONTAG Der Libanon ist ein Beispiel für den Nahen Osten. Dort kommen auf fast sechs Millionen Libanesen 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge. Dazu kommt bei Kindern von Geflüchteten, die dort geboren werden, das Problem der Staatenlosigkeit: Sie haben keinen Pass und damit keine Rechte. Oder Südamerika, Brasilien: Das Thema der Gewalt gegen Kinder wird dort immer wichtiger. Ihr Lebenslauf liest sich, als hätten Sie nie etwas anderes machen wollen als diese Art von Arbeit. MONTAG Ja, das liest sich so. Aber die Richtung war gar nicht so geplant. Im Nachhinein kann ich Verbindungen ziehen wie die, dass mein Großvater in russischer Kriegsgefangenschaft war und davon erzählt hat. Aber tatsächlich sind mir Begegnungen im Ausland mit Menschen näher gewesen, wo ich gesehen habe: Wir müssen nicht nur am Bildschirm sitzen und Nachrichten lesen; jeder von uns kann etwas tun, und es gibt Organisationen, die sich für gute Dinge einsetzen. Oder zufällige Begegnungen, wo Menschen mir einen Einstieg, ein Praktikum ermöglicht haben. Es ist eine Summe von Vielem. Sie sagen, es gibt nichts Schöneres, als für Kinder zu arbeiten. Warum? MONTAG Ich finde es extrem inspirierend, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, die in diesem Moment ihre Lebenslust, ihre Kreativität mit mir teilen. Andererseits gibt es viele, die leiden. Das motiviert mich, mich dafür einzusetzen, dass sie aus ihrer Situation herauskommen. Und so abgedroschen es klingt: Es sind die Kinder und Jugendlichen von heute, die die Welt von morgen gestalten.