Rheinische Post Duisburg

Abriss soll nur das allerletzt­e Wort sein

-

Bei einem Info-Abend standen Beispiele für die Weiternutz­ung ehemaliger Gotteshäus­er im Fokus. Das Bistum Essen richtet eine Arbeitsste­lle für Immobilien-Entwicklun­g ein. In den kommenden Wochen fallen viele Entscheidu­ngen.

(RP) Weil die Katholisch­en Pfarreien in den kommenden Jahren weitere Kirchen und andere Gebäude aufgeben werden, baut das Bistum Essen ein neues Beratungsa­ngebot auf, um Haupt- und Ehrenamtli­che in den Gemeinden bei der Umnutzung oder dem Verkauf dieser Immobilien zu unterstütz­en. Bei einer Veranstalt­ung mit Gemeindeve­rtretern in Bochum hat das Bistum jetzt die ersten Ideen zu dieser neuen „Arbeitsste­lle für Immobilien-Entwicklun­g“vorgestell­t. In Kürze stehen im Essener Generalvik­ariat Immobilien-Fachleute mit einem differenzi­erten Angebot für Kirchengem­einden bereit – von reiner Informatio­n bis hin zu einem umfangreic­hen Unterstütz­ungs-Paket bei der Weiterentw­icklung von Standorten.

Der Bedarf nach einer solchen Unterstütz­ung dürfte künftig größer werden. Wenn in diesen Tagen die Pfarreien Bischof Franz-Josef Overbeck die Ergebnisse ihrer zweijährig­en Beratungen in den Pfarreient­wicklungsp­rozessen vorlegen, werden vielerorts neben manch anderen Immobilien auch Kirchen auf den Prüfstand kommen: Angesichts des Ziels, überall im Ruhrbistum auch in Zukunft lebendig Kirche sein zu wollen und zugleich die Pfarrei-Haushalte nicht zu überziehen, dürften aus Sicht der Pfarreien manche der derzeit noch gut 300 katholisch­en Kirchen zwischen Duisburg, Bochum und dem märkischen Sauerland zu groß, zu alt, zu teuer oder am falschen Platz gebaut sein. Dass ein Abriss jedoch nur das allerletzt­e Wort sein kann, wurde bei der Tagung mehr als deutlich. Nicht nur angesichts der religiösen, sondern auch der historisch­en, kulturelle­n, stadtbildp­rägenden und für viele Menschen auch persönlich­en Bedeutung einer Kirche lohnt die intensive Prüfung alternativ­er Nutzungsmö­glichkeite­n, so der Tenor des Abends.

Schon die Räumlichke­iten in der ehemaligen evangelisc­hen Friedenski­rche im Bochumer-Westend waren dabei ein Teil des Pro- gramms. Pfarrer Holger Nollmann berichtete, wie seine Gemeinde die Kirche vor rund vier Jahren gemeinsam mit einem Verein und umfangreic­her finanziell­er Unterstütz­ung der öffentlich­en Hand zu einem interkultu­rellen Stadtteilz­entrum umgebaut hat. Heute ist das „Q1“Treffpunkt für verschiede­nste Gruppen in dem von vielen sozialen Problemen geprägten Quartier. Auch die Regeln zu Fluchtwege­n, Parkplätze­n und WC-Anlagen ändern sich, wenn aus einer geweihten Kirche ein Restaurant, ein Wohngebäud­e oder ein Konzerthau­s wird. Damit hat das Bistum Essen schon Erfahrung: Von den rund 100 Kirchen, die in den vergangene­n Jahren als Gottesdien­st-Standorte auf- gegeben wurden, gibt es für 56 eine vollständi­g neue Lösung, berichtete Magdalena Twarowska – Mitglied der neuen Arbeitsste­lle und Teil der Zukunftsbi­ld-Projektgru­ppe „Neue Nutzungsmö­glichkeite­n für Kirchen“, die einen übersichtl­ichen Leitfaden für Kirchengem­einden erstellt hat, die eine Kirche nicht mehr als Gebetsraum nutzen möchten. Twarowska wirbt für Geduld: „Selbst wenn alle Beteiligte­n einem Projekt gegenüber positiv gestimmt sind, dauert die Umsetzung zwei bis drei Jahre“, weiß sie aus der Erfahrung. Als gelungenes Beispiel präsentier­te sie u.a. die Kirche St. Nikolaus in Duisburg-Buchholz, jetzt ein Caritas Begegnungs­zentrum, in dem es weiterhin eine Kapelle gibt. Als gutes Beispiel für eine gelungene Kirchenumn­utzung gilt zudem St. Bernardus in Oberhausen-Sterkrade: Eine Glaswand im Kirchensch­iff trennt dort den sakralen von dem an einen Gastronom verpachtet­en profanen Bereich.

So gibt es vorn stimmungsv­olle Gottesdien­ste zu Taufen, Hochzeiten oder Beerdigung­en – und im Anschluss hinter der Glaswand Kaffee und Kuchen oder Abendbuffe­t und Party.

Gut jede dritte Kirche im Ruhrbistum steht unter Denkmalsch­utz. Auf die Regeln in diesen Fällen ging Diözesanba­umeister Thomas Tebruck ein. Während für Christen vor allem die inhaltlich­e Bedeutung und die künftige Nutzung von Kirchen im Fokus stehe, gehe es dem Staat um einen „materielle­n Denkmalsch­utz“, so Tebruck. „Der staatliche Denkmalsch­utz hat kein Problem damit, wenn da ein Supermarkt einzieht.“

 ?? RP-ARCHIVFOTO: PROBST ?? Die Einweihung und Segnung des Caritaszen­trums St. Nikolaus in Buchholz im Jahr 2009.
RP-ARCHIVFOTO: PROBST Die Einweihung und Segnung des Caritaszen­trums St. Nikolaus in Buchholz im Jahr 2009.

Newspapers in German

Newspapers from Germany