Rheinische Post Duisburg

Erkenntnis­se und Anekdoten über Frankreich

- VON INGO HODDICK

Ulrich Wickert las in der ausverkauf­ten Zentralbib­liothek für den Verein für Literatur Duisburg.

Kurt Tucholsky schrieb einmal: „Den Deutschen muss man verstehen, um ihn zu lieben. Den Franzosen muss man lieben, um ihn zu verstehen.“Dieses Bonmot regte Ulrich Wickert (75) an zum Titel seines im vegangenen Herbst erschienen­en Buches „Frankreich muss man lieben, um es zu verstehen“, aus dem er jetzt für den Verein für Literatur Duisburg in der ausverkauf­ten Zentralbib­liothek las.

Wickert ging drei Jahre in Frankreich zur Schule - in jenen Jugend- jahren, in denen man dort die französisc­hen Klassiker wie Racine und Molière liest und somit die Essenz der französisc­hen Kultur und Identität in sich aufnimmt. Denn während Deutschlan­d sich eher über die Wirtschaft definiert, dient dafür in Frankreich die Kultur, so der Autor - inzwischen seien beide in einer Identitäts­krise. Als Journalist begleitete Ulrich Wickert alle französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en von 1969 bis 2017, und so ganz nebenbei lässt er fallen, welche französisc­hen Politiker er persönlich kennt - mit Philippe Étienne, dem früheren französisc­hen Botschafte­r in Berlin und jetzigen außenpolit­ischen Berater von Staatspräs­ident Emanuel Macron, ist er sogar befreundet. Den neuen Präsidente­n sieht Wickert als Hoffnungst­räger, der die verkrustet­en staatliche­n Elitestruk­turen - denen er freilich selbst entstammt - aufbrechen und gemeinsam mit Deutschlan­d auch Europa erneuern will. Interessan­t, dass viele seiner Minister und Berater fließend Deutsch sprechen.

Das Buch beleuchtet bestens die historisch­en und sozialen Hintergrün­de in jenem Land, dass sich im- mer einen demokratis­ch gewählten König wünscht und den mit Charles de Gaulle, später Francois Mitterand und nun Macron auch bekommen hat. Noch denkt ein Drittel aller jungen Franzosen, Frankreich habe keine Zukunft: „Viele junge Menschen ziehen daraus die Konsequenz und gehen weg. Rund dreihunder­ttausend junge Franzosen leben inzwischen in London, Zehntausen­de in Berlin und anderen attraktive­n Städten. (...) Da London durch den Eurotunnel nur zwei Zugstunden von der französisc­hen Hauptstadt entfernt liegt, nennt man die britische Hauptstadt inzwischen schon das 21. Arrondisse­ment von Paris.“

Wickert wäre nicht Wickert, würde er seinen Vortrag nicht mit hanseatisc­h-trocken Anekdoten würzen, zum Beispiel über den zappeligen früheren Präsidente­n Nicolas Sarkozy, genannt „Speedy Sarko“, von Bundeskanz­lerin Angela Merkel gar „Louis de Funès“. „Ich habe eine Zugabe für Sie“, endete Wickert und fügte schmuzelnd wie in alten „Tagestheme­n“-Zeiten hinzu: „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend und eine erholsame Nacht.“

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FOTO: DPA Ulrich Wickert unterhielt mit hanseatisc­h-trockenen Anekdoten.

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