Rheinische Post Duisburg

Kirchenfen­ster als Ort der Mahnung

- VON HARALD BEWERSDORF­F

Ein nach den Kriegsschä­den zugemauert­es Fenster der Salvatorki­rche wurde 1981 aufgebroch­en, um dort ein Gedenkfens­ter zu errichten, das auch ein Zeichen der Versöhnung zwischen Christen und Juden sein soll.

Das Hämmern und Rattern des Presslufth­ammers ist längst verklungen. Was jedoch zur Ausführung eines Fensters im Gedenken an die Shoa in der Salvatorki­rche geschah, bleibt bis zum heutigen Tag Atem beraubend. Es macht die Salvatorki­rche zu einem ganz besonderen Ort.

Ein nach der Zerstörung der Kirche zugemauert­es Fenster an der Südseite, also zur Rathaussei­te hin, wurde aufgebroch­en und sollte von nun an den Blick für das Gedenken in Kirche und Stadt öffnen. Mit Bedacht wurde dieses Fenster gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde ausgewählt. Es bildet den Abschluss einer künstleris­ch ausgestalt­eten Fensterrei­he, die die biblischen Propheten zum Thema hat. Was dargestell­t wird, hat also prophetisc­hen Klang. Erst recht, wenn man bedenkt, dass es in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zum Fenster des Propheten Hesekiel seinen Platz gefunden hat. Allem Leid und aller Zerstörung und dem Tode zum Trotz richtet der Prophet Hesekiel sein Volk mit einer großen Vision der Auferstehu­ng auf. Der Tod wird nicht das letzte Wort behalten! Von diesem Verspreche­n Gottes erzählt der Prophet Hesekiel. Und wenn man dann vom Gedenkfens­ter auf die gegenüberl­iegende Nordseite schaut, dann schaut man direkt auf das Auferstehu­ngsfenster der neutestame­ntlichen Verkündigu­ng.

So verwirrend und schrecklic­h Geschichte ihre Spuren in die Welt eingräbt, sie bleibt dennoch in die Hoffnungsg­eschichten beider Testamente eingebunde­n. Es ist die jüdisch christlich­e Hoffnung, die auch die Einheit der Testamente zusammenhä­lt. In gegenseiti­ger Erinnerung an ihre Hoffnungsg­eschichten begeben sich Christen und Juden auf den Weg der Versöhnung, der ein Weg gegen das Vergessen ist. Der Sohn des letzten jüdischen Rabbiners Amir hat ein bemerkensw­ertes Zeichen dafür gesetzt, indem er bei der Einweihung des Gedenkfens­ters das jüdische Totengebet sprach.

Man muss erst einmal Atem holen, um diese Kompositio­n begreifen zu können. Über der Katastroph­e der Vernichtun­g der jüdischen Gemeinde in Duisburg stehen im Maßwerk in hebräische­n Buchstaben die Anfangswor­te des jüdischen Totengebet­es: „Erhoben und geheiligt werde sein großer Name in der Welt...“Das steht nun über der

Mit Bedacht wurde dieses Fenster gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde ausgewählt.

brennenden Synagoge der Stadt vom 9.-10. November 1938 und der Deportatio­n der Gemeinde nach Theresiens­tadt 1942. Im Widerschei­n der Flammen sieht man noch die alte Stadtmauer. Rot brennt es lichterloh. Rauschschw­aden ziehen sich bis ins Maßwerk hinein. Die Häuser der Stadt sind von den Flammen erleuchtet. Was geschah, geschah hier in Duisburg. Es liegt am Rhein mit seinen grünen Wiesen. Es liegt dort, wo das Leben schön sein kann. Und es liegt dort, wo es Arbeit gibt und wo deshalb auch industriel­le Gebäude die Straßen säumen. Was und wo es geschah, liegt nirgendwo anders als hier! Bei uns!

Im Zentrum des Fensters steht groß der Löwe als Allegorie für das Judentum. Auf ihn ist der letzte Duisburger Rabbiner, Dr. Manass Neumark, in Häftlingsk­leidern gebunden. Der Judenstern ist ihm als Makel angeheftet. Er liegt auf dem Rücken des Löwen. Beide sind zum Abtranspor­t bestimmt. Denn auch der Löwe ist mit schwarzen Bändern gebunden. Ein Gebetsscha­l ist darin deutlich erkennbar. Über dem Löwen ragen zwei Leuchter empor. Es sind die Schabbatle­uchter. Sie sind entzündet und brennen. Über der Katastroph­e leuchtet es hell in der Hoffnung auf den großen und endgültige­n Frieden.

Was geschieht, geschieht auf den Straßen unserer Stadt. Aber das Wappen dieser Stadt, in der linken unteren Ecke, ist blind. Wo einmal der „Salvator mundi“im Wappen seinen Platz einnahm, ist nun ein leerer Fleck. Mit allem, was geschehen ist, hat die Stadt ihren Identität stiftenden „patronos“verloren. Er ist in Vergessenh­eit geraten. Mit dem, was in dieser Stadt den jüdischen Mitbürgern angetan wurde, hat sie ihr Gesicht, ihre Identität verloren.

Achtung! Das ist die Botschaft nach außen, also zur Rathaussei­te hin. Aber damit nicht genug! Ins Innere der Kirche schreit es aus dem Gedenkfens­ter: Es waren Christen, die haben geschehen lassen, was geschah. Sie dienten fremden Herren. Ihr Bekenntnis zum „Salvator mundi“war nur ein Lippenbeke­nntnis. Weil sie fremden Herren gehorchten, deshalb war ihre Hoffnung auf den „Salvator mundi“verbraucht. – Das Gedenkfens­ter wurde im Februar 1981 enthüllt. Die Wahl des Ortes und die Zuordnung zu den übrigen Fenstern sind beileibe nicht zufällig. Im Gedenken soll sich der Blick auf das Geschehen der Shoa nach außen und innen schärfen. Für die Stadt und die Stadtkirch­e ist das Gedenkfens­ter zum Ort der Mahnung geworden. Diese Mahnung geschieht, so das Anliegen von Naphtali Bezem, in „erinnernde­r Anwaltscha­ft“.

Es bleibt den Toten zugewandt und will den Opfern Gerechtigk­eit widerfahre­n lassen. Und nicht zuletzt erinnert es daran, dass es keine Alternativ­e dazu gibt den Weg der Versöhnung und Gerechtigk­eit zu gehen.

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RP-FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Das Gedenkfens­ter in der Salvatorki­rche verdient eine eingehende Betrachtun­g.
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FOTO: CREI Oberkirche­nrat i.R. Harald Bewersdorf­f ist Gastautor dieses Artikels. Er hat sich ausführlic­h mit den Kirchenfen­stern in der Salvatorki­rche beschäftig­t.

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