Rheinische Post Duisburg

Fast in einem Omnibus geboren

- VON JAN LUHRENBERG

Die Zwillinge Monika und Ulrike Berger machten vor 50 Jahren Schlagzeil­en.

Den 5. Februar 1968 wird Margret Berger nie vergessen. Und Jahr für Jahr erzählt sie an diesem Datum ihrer Familie aufs neue, was damals passiert ist. 1968 waren ihre Erlebnisse auch für die Rheinische Post Anlass zur Berichters­tattung. Und das „Goldjubilä­um“in diesem Jahr ist es nun auch.

An diesem denkwürdig­en Tag kamen die beiden Töchter von Margret Berger zur Welt. Zwillinge – das ist sicherlich etwas besonderes, aber für sich betrachtet kaum berichtens­wert für die Öffentlich­keit. Dass die beiden Mädels aber fast in einem Omnibus geboren worden wären, das schon.

Margaret Berger war am Morgen des 5. Februars zu ihrem Frauenarzt gefahren – hochschwan­ger und mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. Die damals 21-Jährige hatte sich an diesem Morgen nicht besonders gut gefühlt und befürchtet, dass sie eine Blasenentz­ündung hatte. Der Arzt konnte allerdings nichts besonderes feststelle­n und schickte sie wieder nach Hause. Dass der Geburtster­min bald sein wird, wusste er. Aber anders als heute ließ sich damals der Zeitraum nicht so ganz genau eingrenzen.

Margret Berger machte sich also auf den Weg. In Bruckhause­n stieg sie von der Straßenbah­n in einen Bus der Linie 21 um, wobei sie rennen musste, um den Anschluss nicht zu verpassen. Kaum war sie in den Autobus eingestieg­en, spürte sie, dass etwas mir ihr überhaupt nicht stimmte. „Ich habe erst ge- dacht, ich hätte mir in die Hose gemacht“, lacht sie heute über das große „Malheur“, was gar keines war. Denn in Wirklichke­it war ihre Fruchtblas­e geplatzt, ein deutlicher Hinweis auf die bevorstehe­nde Geburt.

21 Jahre alt, allein auf sich gestellt in einem Bus, hoch-schwanger – Margret Berger muss in einer für sie furchtbare­n Situation gewesen und sich absolut hilflos gefühlt haben. In ihrer Not suchte und fand sie Hilfe bei dem Busfahrer Gerd Wenz, Offenbar wusste der Mann nicht nur, wie man ein schweres Fahrzeug lenkt, sondern auch, was in einer solchen Situation zu tun ist. Er fuhr die werdende Mutter, bei der inzwischen die Wehen eingesetzt hatten, mit seinem Bus direkt zum ehemaligen Morian-Stift in Alt-Hamborn, einem Krankenhau­s, das es heute nicht mehr gibt. Gegen 13 Uhr über- gab er Margret Berger an das medizinisc­he Personal – mit Sicherheit erleichter­t, dass er nicht noch zum Geburtshel­fer geworden war.

Kinder? Margret Berger wusste zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch gar nicht, dass sie einige Stunden später im Krankenhau­s zwei Mädchen auf die Welt bringen wird. Auch ihr Frauenarzt hatte damals keine Ahnung, dass seine Patientin mit Zwillingen schwanger war. Denn Ultraschal­l-Untersuchu­ngen, wie sie heute gang und gäbe sind, gehörten damals noch nicht zum Standart.

Kurz nach 22 Uhr an diesem 5. Februar erblickte zunächst Monika das Licht der Welt. Fünf Minuten später folgte ihre Schwester Ulrike – zwei kräftige Mädels. Beide waren kerngesund, über 50 Zentimeter groß und wogen jeweils knapp 3,5 Kilogramm.

„Im Krankenhau­s wurden wir erstmal nur Berger Eins und Berger Zwei genannt“, weiß Monika Berger. Denn beide Frauen haben noch heute die kleinen Bändchen, die ihnen damals im Krankenhau­s umgelegt und auf die diese Namen nach der Geburt geschriebe­n worden waren.

Anders als heute war die Geburt von Zwillingen eine große Seltenheit für Ärzte, Hebammen und Krankensch­western. Und für Margret Berger und ihren Ehemann Horst war es zunächst ein Schock. „Mein Mann und ich mussten uns erstmal daran gewöhnen, dass wir zwei Töchter auf einmal bekommen haben“, erzählt sie. Zuhause sei damals alles für nur ein Kind hergericht­et gewesen. Und die Eheleute hatten sich auch nur auf zwei Namen verständig­t, einen für eine Tochter, einen für den Fall eines Sohnes. Horst Berger verliebte sich beim Anblick der beiden Säuglinge sofort in seine Kinder, die er liebevoll „kleine Tatsachen“nannte.

In den ersten Lebensjahr­en sahen sich Monika und Ulrike Berger zwar sehr ähnlich, waren aber unterschie­dlich groß. „Wir haben häufig Wetten gewonnen, weil uns wegen des Größenunte­rschieds keiner geglaubt hat, dass wir tatsächlic­h Zwillinge sind“, lacht Monika Berger, die heute ihrer Schwester sehr ähnelt.

Für ihren heutigen 50. Geburtstag haben sich Monika und Ulrike nichts Besonderes vorgenomme­n. „Wir haben einen ruhigen Abend geplant und gehen mit der Familie essen“, sagt Ulrike Berger.

 ?? FOTOS (2): PROBST ?? Das linke Foto zeigt Familie Berger, wie sie heute ist. Das rechte Bild den Zeitungsar­tikel von 1968.
FOTOS (2): PROBST Das linke Foto zeigt Familie Berger, wie sie heute ist. Das rechte Bild den Zeitungsar­tikel von 1968.
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