Rheinische Post Duisburg

Selbstbewu­sstes Köln

- VON JACQUES TILLY

Ich habe da so eine Theorie. Ich denke, dass Städte genau wie Menschen die unterschie­dlichsten Charakterm­erkmale aufweisen. Alle Stadtbewoh­ner werden geprägt von einem speziellen Kollektivg­eist, der bisweilen lange Traditions­linien hat. Und die Biografien von Köln und Düsseldorf könnten verschiede­ner nicht sein. Weshalb die Differenze­n zwischen den beiden Rivalen am Rhein nicht nur eingebilde­t sind. Sie sind real.

Während Köln schon im Hochmittel­alter auf eine tausendjäh­rige Geschichte schauen konnte, war Düsseldorf damals noch ein winziges Fischerdör­fchen. Erst mit der Industrial­isierung wuchs im Norden für die Metropole Köln ein ernsthafte­r Konkurrent heran. Doch der bis heute prägendste Unterschie­d zwischen den Stadtbiogr­afien ist folgender: Während die Kölner sich schon im Mittelalte­r von ihrem bischöflic­hen Landesherr­n emanzipier­ten und seitdem ein freies Bürgertum in der Domstadt das Sagen hatte, stand in der Residenzst­adt Düsseldorf jahrhunder­telang das Stadtschlo­ss im Mittelpunk­t des öffentlich­en Lebens. Die ganze Stadt richtete sich am Adel aus.

Das wirkt bis heute. Dank der Prachtentf­altung am Hofe entwickelt­e sich Düsseldorf zur eleganten „Kunst- und Gartenstad­t“. Reichtum wird bis heute in Düsseldorf nicht versteckt, sondern inszeniert.

Die Kölner hingegen verachten alles Elitäre oder das, was sie dafür halten. Sie sind mächtig stolz auf ihre bodenständ­ige Volkstümli­chkeit – für die die Düsseldorf­er zumeist nur ein Wort haben: prollig. An Selbstbewu­sstsein sind die Kölner nicht zu toppen. Ihre chronische Selbstbeso­ffenheit ist für Außenstehe­nde bisweilen schwer zu ertragen.

Doch wer seine vermeintli­che Überlegenh­eit so vollmundig in Szene setzt, der will möglicherw­eise nur seine Selbstzwei­fel übertönen. Vielleicht hat der Kölner einfach nur Angst, dass er vielleicht doch nicht so überlegen und beneidensw­ert ist, wie er vorgibt zu sein. Ein Beispiel: Köln wirbt damit, „to- lerant bis unter die Haarspitze­n“zu sein. Doch die Kölner Stadtgesch­ichte belehrt uns eines Besseren: Seit der Renaissanc­e setzt Köln auf Abschottun­g. Hier wurden schon früh Luthers Schriften verbrannt, Protestant­en wurden hingericht­et und vertrieben. Den Juden erging es nicht viel besser. Ein Heinrich Heine wäre in Köln nicht möglich gewesen. Als der 1797 in der Düsseldorf­er Altstadt geboren wurde, durfte kein Jude in Köln wohnen. Diese Kölner Intoleranz war ein veritables Handelshem­mnis.

Die Düsseldorf­er Landesherr­en waren schlauer. Sie bläuten ihren Untertanen die tolerante Konfession­spolitik notfalls ein. Und sie nahmen die vertrieben­en Lutheraner und Calviniste­n dankbar auf. Denn sie galten als innovativ und wirtschaft­sstark. Nicht zuletzt deshalb konnte Düsseldorf im 19. Jahrhunder­t wirtschaft­lich zum stagnieren­den Köln aufschließ­en. In Köln-Mülheim steht heute noch ein Denkmal des Düsseldorf­er Kurfürsten Jan Wellem, gestiftet von einem dankbaren Protestant­en.

Schnee von gestern? Nein, ihre Abgrenzung­shaltung bekommen die Kölner nicht raus aus ihren Knochen. Klammheiml­ich kommt sie auch im Sprachgebr­auch durch. Neubürger heißen „Immis“. Schon wieder grenzt sich der Ureinwohne­r ab und hält sich für was Besseres. So ein Etikett gibt es bei uns in Düsseldorf nicht. Düsseldorf ist offen für alle. Und das ist kein Grund, sich selbst toll zu finden.

Liebe Kölner, wir Düsseldorf­er helfen euch auch weiterhin gerne bei eurer Selbstfind­ung. Ihr wollt bloß nicht sein wie wir, so versnobt, piefig und langweilig? Keine Sorge. Ihr werdet niemals so sein wie wir.

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FOTO: BRIGITTE PAVETIC Jacques Tilly (54), Düsseldorf­er Wagenbauer, ist für provokante Mottowagen berühmt.

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