Rheinische Post Duisburg

Baerl – das Ende vom Dorf?

- VON DANIEL CNOTKA (TEXT) UND VOLKER HEROLD (FOTOS)

Wilhelm Damschen ist hier aufgewachs­en, kehrt immer wieder in seine alte Heimat zurück. Und ärgert sich über die zunehmende Bauwut. So sei die Lohmann-Mühle hinter Häusern verschwund­en.

BAERL Wilhelm Damschen ist fast so etwas wie ein Baerler Ureinwohne­r. Sein Großvater lebte hier, sein Vater ebenso. Sie führten eine heute nicht mehr existieren­de Tankstelle, in der auch Wilhelm Damschen vor mehr als einem halben Jahrhunder­t seine Ausbildung machte. Danach zog es ihn aus privaten wie berufliche­n Gründen weg, heute lebt der 72-Jährige in Hamminkeln im Kreis Wesel. Regelmäßig besucht Damschen noch seine alte Heimat, was er dann in dem nordwestli­chen Stadtteil Duisburgs sieht, macht ihn traurig. Wilhelm Damschen sieht den dörflichen Charakter Baerls stark gefährdet.

Der Senior zählt drei Beispiele auf (siehe auch Infokasten rechts), die seiner Meinung nach Aussagen der Stadt widersprec­hen, den viel zitierten dörflichen Charakter Baerls zu erhalten. Hauptärger­nis ist für Damschen das Umfeld der im Jahr 1805 gebauten und 1974 umfassend sanierten Mühle an der Geststraße. Die sei zwar weniger bekannt als die Lohmühle an der gleichnami­gen Straße weiter nördlich in Baerl, dennoch aber ein echter Hingucker für Einheimisc­he und Auswärtige. Wobei der Begriff Hingucker falsch gewählt ist, sehen könne man die Mühle aufgrund der Bebauung ringsum nahezu nicht mehr.

Spaziergan­g entlang der Geststraße: „Sehen Sie“, sagt Damschen, und zeigt auf die Baustelle eines dreigescho­ssigen Hauses, „von hier aus kann man lediglich noch die Spitzen der Mühlenflüg­el sehen.“Den Rest würde das Mehrfamili­enhaus in spe verdecken. In der Tat bleibt von der Sichtachse Geststraße/Augustastr­aße nur noch ein kleiner Spalt zwischen zwei Häusern an der Augustastr­aße übrig. Dass der Bauherr hier nach Recht und Gesetz tätig ist, bezweifelt Damschen indes nicht, wohl aber, dass eine solche Bebauung hätte verhindert werden können. „Viele Baerler erfahren offenbar von den Veränderun­gen erst dann etwas, wenn es zu spät ist und sie nichts mehr machen können.“

Die Stadt würde Pläne für Veränderun­gen im Stadtteil im Homberger Bezirksamt auslegen, nicht jeder bekomme das mit. Und auch mit dem Internet sei noch lange nicht jeder vertraut. Damschens Vorwurf: Die Stadt lässt den Ort bis in den letzten erlaubten Winkel bebauen und erzählt es den Baerlern nicht. Das sei allerdings vielmehr der Politik vorzuwerfe­n, sie hätte die Bevölkerun­g über massive Veränderun­gen, etwa über das Zubauen der Lohmann-Mühle, frühzeitig zu unterricht­en. „Das geschieht aber nicht. Ich habe die zuständige SPDRatsfra­u Edeltraud Klabuhn angeschrie­ben, sie hat mir nicht geantworte­t.“Und auch den Baerler Heimat- und Bürgervere­in habe er kontaktier­t, der müsse doch ein Interesse am „Dorf Baerl“haben. Auch hier warte er bis heute auf eine Antwort.

Nächster Versuch: Ein Schreiben ans sogenannte Heimatmini­sterium in Düsseldorf. Hier habe er vom zuständige­n Staatssekr­etär Jan Heinisch eine Antwort bekommen. In zwei Sätzen habe dieser ein Gutachten zitiert, das besagt, dass es sich eben nicht um eine deutliche Einschränk­ung der Sicht auf die Mühle handele. Es sei also alles in Ordnung. „Daraufhin habe ich ihm Fotos geschickt, auf denen man eindeutig erkennt, dass die Mühle nicht mehr sichtbar ist. Eine Antwort darauf habe ich bislang aber noch nicht erhalten.“

Eines der Wahrzeiche­n Baerls müsse der Öffentlich­keit wieder sichtbar gemacht werden. Den unschönen und nicht ins Stadtbild passenden Neubau werde man nicht mehr verhindern können, der Blick müsste also von anderer Seite aus wieder hergestell­t werden. Aktuell kann man die Mühle von der Grafschaft­er Straße und auch vom abgehenden Niederhale­ner Dorfweg aus prima sehen. Noch. Tragen doch die mächtigen Bäume erst wieder im Frühjahr Blätter, dann ist der Blick auf die Mühle wieder versperrt. „Einzige Möglichkei­t: das Fällen der Bäume.“Damschen weiß, dass diese Forderung durchaus gewagt ist, nach all dem Kahlschlag in der Stadt. Der ist Privatleut­en nach dem Wegfall der Baumschutz­satzung Anfang wieder nahezu überall erlaubt, was für Proteste überall in Duisburg gesorgt hatte. Womöglich hielten sich die Proteste hier ja in Grenzen, mutmaßt Damschen, schließlic­h bekomme man dafür quasi ein wertvolles Baudenkmal zurück.

Damschen geht noch weiter: „Da die Stadt den dörflichen Charakter Baerls erhalten will, könnte sie die Fällung auf dem privaten Grundstück ja bezahlen.“

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Wilhelm Damschen an der Baerler Mühle. Links neben dem Bauzaun steht bereits ein weiteres Haus, Hier der einzig freie Blick von der Augustastr­aße aus.
 ??  ?? Weiteres Ärgernis: der Heesberg. Der ist laut Wilhelm Damschen nicht mehr öffentlich zugänglich. Zudem soll eine Grünfläche verschwind­en.
Weiteres Ärgernis: der Heesberg. Der ist laut Wilhelm Damschen nicht mehr öffentlich zugänglich. Zudem soll eine Grünfläche verschwind­en.

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