Baerl – das Ende vom Dorf?
Wilhelm Damschen ist hier aufgewachsen, kehrt immer wieder in seine alte Heimat zurück. Und ärgert sich über die zunehmende Bauwut. So sei die Lohmann-Mühle hinter Häusern verschwunden.
BAERL Wilhelm Damschen ist fast so etwas wie ein Baerler Ureinwohner. Sein Großvater lebte hier, sein Vater ebenso. Sie führten eine heute nicht mehr existierende Tankstelle, in der auch Wilhelm Damschen vor mehr als einem halben Jahrhundert seine Ausbildung machte. Danach zog es ihn aus privaten wie beruflichen Gründen weg, heute lebt der 72-Jährige in Hamminkeln im Kreis Wesel. Regelmäßig besucht Damschen noch seine alte Heimat, was er dann in dem nordwestlichen Stadtteil Duisburgs sieht, macht ihn traurig. Wilhelm Damschen sieht den dörflichen Charakter Baerls stark gefährdet.
Der Senior zählt drei Beispiele auf (siehe auch Infokasten rechts), die seiner Meinung nach Aussagen der Stadt widersprechen, den viel zitierten dörflichen Charakter Baerls zu erhalten. Hauptärgernis ist für Damschen das Umfeld der im Jahr 1805 gebauten und 1974 umfassend sanierten Mühle an der Geststraße. Die sei zwar weniger bekannt als die Lohmühle an der gleichnamigen Straße weiter nördlich in Baerl, dennoch aber ein echter Hingucker für Einheimische und Auswärtige. Wobei der Begriff Hingucker falsch gewählt ist, sehen könne man die Mühle aufgrund der Bebauung ringsum nahezu nicht mehr.
Spaziergang entlang der Geststraße: „Sehen Sie“, sagt Damschen, und zeigt auf die Baustelle eines dreigeschossigen Hauses, „von hier aus kann man lediglich noch die Spitzen der Mühlenflügel sehen.“Den Rest würde das Mehrfamilienhaus in spe verdecken. In der Tat bleibt von der Sichtachse Geststraße/Augustastraße nur noch ein kleiner Spalt zwischen zwei Häusern an der Augustastraße übrig. Dass der Bauherr hier nach Recht und Gesetz tätig ist, bezweifelt Damschen indes nicht, wohl aber, dass eine solche Bebauung hätte verhindert werden können. „Viele Baerler erfahren offenbar von den Veränderungen erst dann etwas, wenn es zu spät ist und sie nichts mehr machen können.“
Die Stadt würde Pläne für Veränderungen im Stadtteil im Homberger Bezirksamt auslegen, nicht jeder bekomme das mit. Und auch mit dem Internet sei noch lange nicht jeder vertraut. Damschens Vorwurf: Die Stadt lässt den Ort bis in den letzten erlaubten Winkel bebauen und erzählt es den Baerlern nicht. Das sei allerdings vielmehr der Politik vorzuwerfen, sie hätte die Bevölkerung über massive Veränderungen, etwa über das Zubauen der Lohmann-Mühle, frühzeitig zu unterrichten. „Das geschieht aber nicht. Ich habe die zuständige SPDRatsfrau Edeltraud Klabuhn angeschrieben, sie hat mir nicht geantwortet.“Und auch den Baerler Heimat- und Bürgerverein habe er kontaktiert, der müsse doch ein Interesse am „Dorf Baerl“haben. Auch hier warte er bis heute auf eine Antwort.
Nächster Versuch: Ein Schreiben ans sogenannte Heimatministerium in Düsseldorf. Hier habe er vom zuständigen Staatssekretär Jan Heinisch eine Antwort bekommen. In zwei Sätzen habe dieser ein Gutachten zitiert, das besagt, dass es sich eben nicht um eine deutliche Einschränkung der Sicht auf die Mühle handele. Es sei also alles in Ordnung. „Daraufhin habe ich ihm Fotos geschickt, auf denen man eindeutig erkennt, dass die Mühle nicht mehr sichtbar ist. Eine Antwort darauf habe ich bislang aber noch nicht erhalten.“
Eines der Wahrzeichen Baerls müsse der Öffentlichkeit wieder sichtbar gemacht werden. Den unschönen und nicht ins Stadtbild passenden Neubau werde man nicht mehr verhindern können, der Blick müsste also von anderer Seite aus wieder hergestellt werden. Aktuell kann man die Mühle von der Grafschafter Straße und auch vom abgehenden Niederhalener Dorfweg aus prima sehen. Noch. Tragen doch die mächtigen Bäume erst wieder im Frühjahr Blätter, dann ist der Blick auf die Mühle wieder versperrt. „Einzige Möglichkeit: das Fällen der Bäume.“Damschen weiß, dass diese Forderung durchaus gewagt ist, nach all dem Kahlschlag in der Stadt. Der ist Privatleuten nach dem Wegfall der Baumschutzsatzung Anfang wieder nahezu überall erlaubt, was für Proteste überall in Duisburg gesorgt hatte. Womöglich hielten sich die Proteste hier ja in Grenzen, mutmaßt Damschen, schließlich bekomme man dafür quasi ein wertvolles Baudenkmal zurück.
Damschen geht noch weiter: „Da die Stadt den dörflichen Charakter Baerls erhalten will, könnte sie die Fällung auf dem privaten Grundstück ja bezahlen.“