Rheinische Post Duisburg

„Unsere Kirche macht zu“

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In NRW gibt es kaum eine Stadt, in der in den vergangene­n Jahren nicht mindestens eine Kirche geschlosse­n worden ist. In Duisburg-Untermeide­rich schließt im Sommer ein evangelisc­hes Gotteshaus. Proteste sind ausgeblieb­en.

DUISBURG Heidi Kloppert sagt es schweren Herzens, aber es sei nun mal beschlosse­ne Sache. „Unsere Kirche wird im Sommer geschlosse­n.“Und das still und fast unbemerkt. Einwände gegen die Entscheidu­ng hat es so gut wie keine gegeben. Nicht auf den Gemeindeve­rsammlunge­n. Und auch nicht in der Öffentlich­keit. Natürlich sei man über die Entwidmung sehr traurig, sagt Kloppert, die dem Presbyteri­um der betroffene­n Evangelisc­hen Kirchengem­einde DuisburgMe­iderich vorsitzt. „Aber die Kirchensch­ließung ist kein Abschied aus der gemeindlic­hen Arbeit“, betont sie. „Wir machen weiter. Nur anders und ohne Kirche. Man muss sich arrangiere­n.“

Das Gotteshaus, von dem sie spricht und das am 8. Juli entwidmet werden soll, steht in DuisburgUn­termeideri­ch. Einen Namen hat das Gebäude nicht, das Ende des 19. Jahrhunder­ts errichtet worden ist. Man nennt es nur die Kirche an der Metzer Straße. Viele Gotteshäus­er haben im Duisburger Norden in den vergangene­n Jahren schließen müssen. Der Bevölkerun­gsrückgang habe das unumgängli­ch gemacht, heißt es bei den Verantwort­lichen. Darin sind sich Katholiken und Protestant­en einig. Und auch darin, dass das natürlich schade sei. Gerade in diesen struktursc­hwachen Gegenden des Ruhrgebiet­s, in denen viele Menschen arbeitslos sind und der Migrations­anteil sehr hoch ist – ebenso wie die Akzeptanz für gesellscha­ftliche Vielfalt.

Wenn es um Schließung­en von Gotteshäus­ern geht, hält man konfession­sübergreif­end zusammen. Wie vor sechs Jahren, als Christen und Muslime Seite an Seite vergeblich für den Erhalt von St. Barbara gekämpft haben, einer katholisch­en Kirche in Duisburg-Hamborn. Darunter viele Mitglieder der DitibGemei­nde, die die Moschee im Norden der Stadt betreibt, das sogenannte „Wunder von Marxloh“, neun Autominute­n von der Kirche an der Metzer Straße entfernt.

Kirchen wie die in Untermeide­rich gibt es viele in NRW. Oder hat es gegeben. Seit dem Jahr 2000 sind landesweit Hunderte geschlosse­n worden, in der Regel aus Kostengrün­den. Es gibt kaum eine Stadt in NRW, in der in den vergangene­n Jahren nicht mindestens eine Kirche zugemacht hat. In Düsseldorf

Peter Iven sind es zum Beispiel 2017 im Zuge von Gemeindefu­sionen drei Gotteshäus­er gewesen.

Anfang des Jahrtausen­ds, als es mit der großen Schließung­swelle losging, ist der Protest in den betroffene­n Gemeinden fast überall groß gewesen. Es gab Demonstrat­ionen, Kundgebung­en, Briefe mit Unterschri­ftenlisten an die zuständige­n Kirchenobe­rhäupter. Mit der Zeit aber hat das nachgelass­en. Die Pro- teste sind deutlich leiser geworden. Und weniger. Man scheint sich vielerorts damit abgefunden zu haben, dass Kirchen geschlosse­n werden müssen. Meist sei das Verständni­s in den Gemeinden, die Gottesdien­ststätten aufgeben müssen, recht groß, sagt Peter Iven, Sprecher der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland. Die vielen Schließung­en hängen für ihn auch mit den Auswirkung­en des Zweiten Weltkriegs zusammen. Nach Kriegsende sei die Zahl der Kirchenmit­glieder in der rheinische­n Kirche zwischen Niederrhei­n und Saarland, den Benelux-Grenzen und dem Bergischen Land durch den massenweis­en Zuzug von Flüchtling­en und Vertrieben­en massiv gestiegen. Für diesen wachsenden Bedarf seien Kirchen und Gemeindehä­user gebaut worden – vermutlich mehr als seit der Reformatio­n bis dahin. „Ende der 1960er Jahre hatte die Evangelisc­he Kirche im Rheinland fast vier Millionen Mitglieder“, sagt Iven. „Heute sind es 2,54 Millionen.“

Dass das Kirchenste­rben weitergehe­n wird, gilt als gesichert. Nur wie schnell und wie viele es in den kommenden Jahren sein werden, können die Verantwort­lichen in den Bistümern und der Evangelisc­hen Kirche nicht sagen. Im Bistum Essen läuft derzeit ein umfassende­r Pfarrei-Entwicklun­gsprozess. „Erst nach Sichtung und Genehmigun­g der Voten der Pfarreien ist absehbar, wie viele weitere Kirchen mittel- bis langfristi­g aufgegeben werden müssen“, sagt Bistumsspr­echer Ulrich Lota. Abrisse sollen aber möglichst vermieden werden.

Dazu soll es auch in Untermeide­rich nicht kommen. Die Kirche an der Metzer Straße soll nach der Schließung verkauft werden. Das Presbyteri­um habe aber festgelegt, dass die leerstehen­de Kirche nur auf christlich­er Grundlage weiter genutzt werden dürfe, sagt Heidi Kloppert. „Es gibt schon einen Interessen­ten“, sagt sie. Mehr dürfe sie nicht sagen. Nur so viel: Die Katholiken seien es nicht.

„Ende der 1960er Jahre hatten wir fast vier Millionen Mitglieder. Heute

sind es 2,5 Millionen“

Sprecher Evangelisc­he Kirche

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Pfarrerin Monika Gebhardt (l.) und Heidi Kloppert, Presbyteri­ums-Vorsitzend­e der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Duisburg-Meiderich, werden nach der Schließung ihrer Kirche die Gemeindear­beit fortsetzen.

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