Land will Fahrverbote bis 2020 vermeiden
Das Bundesverwaltungsgericht erklärt Verkehrsbeschränkungen für Dieselautos als letztes Mittel zur Luftverbesserung in Städten für grundsätzlich zulässig. Die Stadt Düsseldorf setzt auf besseren Nahverkehr und mehr Radwege.
LEIPZIG/DÜSSELDORF Das Bundesverwaltungsgericht hat den Weg für Diesel-Fahrverbote in Städten grundsätzlich freigemacht. Sie seien als letztes Mittel zur Luftreinhaltung zulässig. Die neuen Luftreinhaltepläne müssten aber auch verhältnismäßig sein. Für Stuttgart gab das Gericht die schrittweise Einführung von Fahrverboten vor. Diesel der Schadstoffklasse Euro 5 dürften hier ab 1. September 2019 ausgesperrt werden, ältere Diesel schon eher. Die Übergangsfristen dürften auch für andere Städte wegweisend sein. Der Stadt Düsseldorf erlegte das Gericht auf, die Aufnahme von Diesel-Fahrverboten im Luftreinhalteplan zu prüfen (Az.: 7 C 26.16).
Als erste Stadt will Hamburg bereits im April Fahrverbote auf zwei Straßenabschnitten einführen. Das Urteil bedeutet aber nicht, dass nun automatisch Diesel-Fahrverbote auch in Düsseldorf und anderen Städten angeordnet werden. Sie sind jetzt möglich, wenn es nicht gelingt, schnell genug die zulässigen EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid einzuhalten. Zu schlechte Luft in den Städten gefährdet die Gesundheit vor allem von Kindern und älteren Menschen.
Die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf will Diesel-Fahrverbote bis mindestens 2020 in der Landeshauptstadt vermeiden, wie Regierungsvizepräsident Roland Schlapka erklärte: „Es gibt keinen Automatismus, dass in Düsseldorf Fahrverbote verhängt werden.“Der Luftreinhalteplan solle bis zum Sommer in Kraft treten. Darin werde ein Bündel von Maßnahmen zur Senkung der Schadstoffbelastung aufgenommen, etwa die Umstellung der Busse auf Elektroantrieb. Die Grenzwerte würden aber weiter ständig geprüft. Schlapka: „Ziel ist, dass wir 2020 Klarheit haben.“
Auch die Bundesregierung will Fahrverbote vermeiden – auch in der Form einer „Blauen Plakette“für schadstoffärmere Diesel, wie die Minister Christian Schmidt (Verkehr, CSU) und Barbara Hendricks
Alice Burri
(Umwelt, SPD) erklärten. Die Autobauer müssten kostenlose Hardware-Nachrüstungen für Diesel anbieten, sagte Hendricks. Das Bundesverkehrsministerium will streckenbezogene Fahrverbote noch 2018 in die Straßenverkehrsordnung aufnehmen. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte, sie halte Fahrbeschränkungen für schwer vermeidbar.
Ihr Düsseldorfer Kollege Thomas Geisel (SPD) warnte davor, dass ein Fahrverbot die Stadt vor eine „fast unlösbare Aufgabe“stelle. DieselFahrzeuge ließen sich bei Kontrollen nur durch einen Blick auf den Fahrzeugschein erkennen. Besser sei, die Innenstadt von Autoverkehr zu entlasten, indem der Nahverkehr gestärkt und Radwege ausgebaut werden. Geisel forderte dafür mehr Geld vom Bund: „Verursacher des Problems sind die Automobilindustrie und das Bundesverkehrsministerium, das offensichtlich nicht streng genug die Grenze für den Schadstoffausstoß festgelegt hat.“
Umstritten ist in Düsseldorf, wie groß die Diesel-Sperrzone sein müsste. Ein erster Entwurf sah nur die direkte Innenstadt vor. Allein in Düsseldorf sind rund 110.000 Diesel-Pkw zugelassen. Darunter sind rund 34.000 Fahrzeuge der Klassen Euro 4 oder schlechter, die zuerst
Anke Stegemann
Wir haben Anwohner und Diesel-Fahrer an zwei besonders schadstoffbelasteten Düsseldorfer Straßen gefragt. betroffen wären. Dazu kommen Hunderttausende Berufspendler, die täglich mit dem Auto in die Stadt anreisen. Das Handwerk warnt vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Die Industrie- und Handelskammer geht davon aus, dass der tägliche Wirtschafts-, Taxi- und Lieferverkehr von und nach Düsseldorf zu rund 90 Prozent mit Dieselfahrzeugen abgewickelt wird.
„Die Autofahrer dürfen nicht die Zeche zahlen für das Versagen der Branche. Deshalb dürfen die Kosten für Nachrüstungen nicht an den Käufern hängenbleiben“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). „Wir erwarten von der Automobilin-
Thomas Garbrecht
Fynn Kugler
dustrie, dass sie Euro 5- und Euro 6Fahrzeuge technisch nachrüstet. Alleinige Software-Updates reichen nicht.“Die Industrie lehnt eine Hardware-Nachrüstung weiter ab.
Der Städte- und Gemeindebund sieht Arbeit auf die Gerichte zukommen. „Es besteht nicht nur die Gefahr einer ,Mammut-Fahrverbotsbürokratie’, es ist auch eine Prozessflut zu befürchten, mit der sich Dieselbesitzer, aber auch Anlieger von Straßen, die dann unter dem Umwegeverkehr leiden, zur Wehr setzen“, sagte Gemeindebunds-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.