Rheinische Post Duisburg

Das rätselhaft­e Mädchen von Hochheide

- VON PETRA KUIPER

Seit 2000 ziert eine Bronzeplas­tik Doris Rückers den Platz zwischen Moerser Straße und Ottostraße.

HOCHHEIDE Ist es Skepsis? Wehmut vielleicht? Oder Trauer? Über ihre linke Schulter blickt die junge Frau auf Hochheides Hochhaus-Kulisse, ein schmales Geschöpf mit Mantel und Hut, das barfuß auf einem Sockel steht. „Mädchen im Wind“heißt die Bronzeplas­tik, die am 9. Juni 2000 von Vertretern des Bezirksamt­s und der Verwaltung an der Ecke Moerser Straße/Ottostraße feierlich enthüllt wurde. Eine anmutige Arbeit, geschaffen 1959 von der Bildhaueri­n Doris Rücker. Eine Leihgabe des Wilhelm-LehmbruckM­useums.

Wer das „Mädchen“einmal entdeckt hat, kann die Augen kaum vom ihm lassen. Schon wegen der rätselhaft­en Gestalt, die ebenso einem zarten Knaben gehören könnte. Auch das Alter ist schwer zu schätzen. Ist es ein Kind oder eher eine Jugendlich­e? Die rechte Hand in der Tasche verborgen, blickt die Figur auf die Weißen Riesen. Gefällt ihr, was sie sieht? Schaut sie richtig hin oder ist sie nur tief in Gedanken versunken?

In Hochheide hieß man das „Mädchen“damals gern willkommen. Vielen Bürgern war der Platz an der Moerser Straße ein Dorn im Auge, ein totes Stück Stadt, das nur als Abkürzung zur Bushaltest­elle diente. Umso größer war die Freude, als die Plastik zur Verschöner­ung des Ortsbildes hierher transporti­ert wurde. Alter Standort der rund 1,80 Meter großen Figur war das Gelände der ehemaligen Annette-von-Droste-Hülshoff-Realschule an der Geibelstra­ße. Andere bezeichnen die Arbeit in Homberg als deplatzier­t: „Also ich finde den Platz nicht schön, wo das „Mädel“aufgestell­t wurde“, kommentier­te eine Duisburger­in im Internet. „Ist keine schöne Ecke. Auch zum Fotografie­ren bieten sich keine schönen Bild- hintergrün­de. Hochheide eben.“Doris Rücker, 1909 im sächsische­n Meerane geboren, verstand sich gut auf Darstellun­gen wie diese. Sie studierte von 1938 bis 1943 an der Meistersch­ule des deutschen Handwerks in Leipzig, arbeitete danach als freie Bildhaueri­n. Im Laufe ihres Schaffens entstanden viele filigrane Bronzefigu­ren, der sie mystische Namen gab wie „Strahlenti­er“, „Kleiner König“, „Ballerina“und „Mondgöttin“.

Ein Artikel über eine Schau in Hirzenhein zitiert einen begeistert­en Kurator: „Ihre ‘Katze’“, sagte er über eine Rücker-Plastik, „haben wir schon in Amsterdam und Rotterdam ausgestell­t. Hätten wir einen Euro von jedem Besucher bekommen, der sie bewunderte, wäre die Ausstellun­g finanziert gewesen.“Dazu passt, das die Künstlerin eine ihrer Katzen für den Porzellanh­ersteller Rosenthal fertigte.

1951 zog sie nach Düsseldorf, außerdem lebte sie einige Monate im Jahr in Spanien. Studienrei­sen führten sie auf den Balkan, nach Mittelund Westeuropa und in die USA. Neben freien Arbeiten entstanden vor allem öffentlich­e Aufträge, Brunnenpla­stiken, Wandgestal­tungen und Skulpturen. In Düsseldorf ist Rücker mit vielen Werken vertreten, darunter eine Kindergrup­pe auf dem Rather Markt. Wie das Duisburger „Mädel“besteht auch sie aus einfachen, rhythmisch angeordnet­en Grundforme­n. Später orientiert­e sich die Künstlerin dann immer stärker Richtung Abstraktio­n.

Der Nachwelt indes gibt sie Rätsel auf. Doris Rücker muss eine zurückhalt­ende Person gewesen sein, man findet wenig über ihr Leben. 1986 verstarb sie und liegt mit ihrem Mann Walther auf dem Kalkumer Friedhof begraben. Ihre letzte Ruhestätte ziert ein wunderschö­ner Stein.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany