Rheinische Post Duisburg

Gerstner will MSV-Frauen noch retten

- VON THOMAS KRISTANIAK

Der Coach, dem zuletzt mit der U-19-Nationalma­nnschaft von Nordkorea die Qualifikat­ion für die Weltmeiste­rschaft gelang, hat nicht lange überlegen müssen, um den Job beim Schlusslic­ht der Fußball-Bundesliga zu übernehmen.

Als die Frage auf den schillernd­sten Punkt in seiner sportliche­n Vita kommt, lächelt Thomas Gerstner und schweigt ein paar Sekunden. War ja klar. Gerade hat der 51-Jährige sein neues Amt als Trainer der Fußballeri­nnen des MSV Duisburg angetreten – und dann wollen die Leute wieder nur wissen, wie das eigentlich in Nordkorea so war. In dem aus vielerlei Gründen im weltpoliti­schen Fokus stehenden asiatische­n Land hatte Gerstner nämlich bis vor kurzem die weibliche U-19National­mannschaft betreut.

„Ich hatte schon einige Anfragen zu Interviews zu dem Thema, die ich alle abgelehnt habe“, sagt Gerst-

„Es ist klar, dass Frauen einen absolut attraktive­n Fußball spielen

können“

Thomas Gerstner ner. Wie es zu dem Engagement in Pjöngjang kam, erläutert er dann aber doch. Jörn Andersen, der frühere Bundesliga-Torschütze­nkönig von Eintracht Frankfurt, coacht seit 2016 das nordkorean­ische MännerTeam. Er fragte bei Thomas Gerstner an, ob dieser sich vorstellen könne, die Frauen-Auswahl des Landes zu übernehmen. Der langjährig­e Profi ließ sich auf das Abenteuer ein. Zwar wurde es am Ende nicht das Frauen-Team, sondern die U19. Aber dies nur deshalb, weil es für diese ein sportliche­s Ziel zu erreichen galt: die Teilnahme an der U-20-Weltmeiste­rschaft. Die sicherte Gerstner dann auch. Ein weiteres Engagement sei daran gescheiter­t, dass die Gehaltszah­lung nicht gesichert werden konnte.

Die Sorge wird er in Duisburg nicht haben müssen. Der gebürtige Wormser hat zwar noch nie ein Frauen-Vereinstea­m betreut, sieht aber keinen großen Umstellung­sbedarf gegenüber seinen früheren Männer-Stationen in Jena, Bielefeld oder Offenbach: „Egal, was man tut – irgendwann ist es immer das erste Mal. Der Fußball ist immer der gleiche, nur die Geschwindi­gkeit kann es halt nicht sein. Aber es ist klar, dass Frauen einen absolut attrakti- ven Fußball spielen können.“Die Priorität läge darauf, dass dieser beim MSV auch noch erfolgreic­h ist.

Die Lage ist bekannt, die Zebras sind mit erst drei Punkten Tabellenle­tzter der Bundesliga. Keine Aufga- be, die Thomas Gerstner abschreckt – im Gegenteil: „Er hat sich proaktiv bei uns beworben und uns im Gespräch überzeugt“, sagt MSV-Geschäftsf­ührer Peter Mohnhaupt. Was Gerstners Interesse geweckt hat? „Wenn man ein Frauenteam trainiert, verfolgt man ja auch, was in dem Bereich passiert. Als ich gelesen habe, dass der MSV sich von Christian Franz-Pohlmann getrennt hat, habe ich zwei Sekunden überlegt und fand, dass das für mich interessan­t ist.“

Seine neue Mannschaft hat er beim vor Wochenfris­t mit 2:1 gewonnenen Spiel gegen den SC Freiburg erstmals unter die Lupe genommen. Die Defensivle­istung gefiel ihm. Dass nach vorn mehr geschehen muss, um die für die Rettung notwendige­n Siege einzufahre­n, ist unstrittig. „Wir wollen einfacher, dynamische­r, schneller spielen und die Pass- und Laufwege mehr automatisi­eren“, sagt der frühere Mittelfeld­akteur.

Dadurch, dass die Liga wegen der Teilnahme der Nationalma­nnschaft am SheBelieve­s-Cup in den USA eine Pause bis zum 18. März einlegt, haben Gerstner und sein Team nun etwas mehr Zeit als bei einem Trainerwec­hsel während der Saison üblich, um sich aneinander zu gewöhnen.

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FOTO: LARS FRÖHLICH MSV-Geschäftsf­ührer Peter Mohnhaupt (links) ist guter Dinge, dass Thomas Gerstner die MSV-Frauen noch retten kann. „Er hat uns im Gespräch überzeugt“, sagt Mohnhaupt.

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